Martha Argerich spielt beim Klavierkonzert Nr. 2 op. 19, dessen Thema wohl schon von 1790 stammt, so auskostende Temporückungen, blendet Beethovens Phrasenenden dynamisch so ab, dass die Frage nach dem Wert des Frühwerks nicht aufkommt.

Beethovens Klavierkonzert Nr. 2, ist das genial? Es gibt das übliche neue Thema in der zweiten Exposition. Soloexposition und Durchführung fangen mit derselben Phrase an. Der Repriseneintritt ist vielleicht der unattraktivste in Beethovens Orchesterwerken. Und die brillante Kadenz ist aus dem Jahr von Beethovens 5. Klavierkonzert.
Das Adagio mit seinem unaufhörlich neu formulierenden Ansetzen des Themas, dem Argerich Nuancen und Schattierungen des Leisen abgewinnt: Monothematik, die nur unterbrochen wird von einem zwei Mal auftauchenden, viertaktigen Tutti-Solo-Dialog. Und doch kann man eine Art Reprise hören, eingehüllt in ein Tastenrieseln von Zweiunddreißigsteln, erst Solo, dann Tutti über den weiterlaufenden Zweiunddreißigsteln Argerichs. Ihr so dichterisches Spiel zentriert Phrasen um scharf leuchtende Akzente, realisiert Innehaltensrubati wie niemand sonst, lässt den ganzen Satz in schwebende Molltrübungen abrutschen. Die con-grande-espressione-Passage zum Schluss – Solo, Streicher mit dem Themenkopf, Solo, Streicher mit dem Themenkopf – hört man fast als Innehalten im Nichts.


