Oktett doppelt mit Mendelssohn und Enescu: Miecznikowski, Żyniewicz, Shibayama u.a.

Im Frohnauer Kulturhaus Centre Bagatelle spielen acht Musiker – jung, begabt, hungrig auf Musik – Streichoktette von Mendelssohn und Enescu. Was sich vorab nach leichter Unterhaltung anhört, ist Kammermusik großen Zuschnitts. Mendelssohns Oktett op. 20 (1825) – komponiert mit zarten 16 Jahren – puvlerisiert sofort alle diesbezüglichen Bedenken.

Sehnig schnellen die Themen, symphonisch weitet sich der Klang, und das bei lustvoll pulsierender Temponahme. Energisch das Allegro moderato, geistreich fantastisch das Scherzo. Das Finale federt. Entsprechend herzhaft ist der Einsatz für diesen frühen Mendelssohn von Hans Christian Aavik und Dmytro Udovychenco an den Violinpulten.

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Katharina Kammerloher: Mahler Wunderhorn-, Hugo Wolf Mörikelieder

Es ist Liederabend! Im mit Laaser Marmor ausgelegten Apollosaal Unter den Linden, wo 36 Säulen Gebälk und Galerie tragen, verlebte einst Adolph Menzel gewiss manche Opernpause skizzierend, und heute singt dort Katharina Kammerloher, begleitet von Eric Schneider, vor der Pause Mahler, nach der Pause Wolf.

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Premiere Deutsche Oper: Arabella Tobias Kratzer

Die Oper Arabella steht seit je etwas abseits, und beleibe nicht in der ersten Reihe von Straussens Opern-Schöpfungen von Salome über Rosenkavalier bis Frau ohne Schatten.

Arabella ist das letzte Opernkind der Künstlerehe Strauss-Hofmannsthal, spielt in seligen k-und-k-Zeiten, Sissi lässt grüßen. Im Vergleich zum Rosenkavalier ist Arabella melodisch heikler und das Milieu realistischer. Ein kroatischer Landmagnat, ein wahrer Naturbursche, soll den verarmten Wiener Stadtadel retten. Diese lyrische Komödie von Strauss und Hofmannsthal ist ein Abgesang auf felix Austria. Und ein Versuch, das Alte, das früher funktionierte, in eine neue Zeit zu retten.

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Deutsche Oper Salome: Miknevičiūtė, Shanahan, Ursula Hesse von den Steinen, Blondelle

Die Inszenierung von Claus Guth stellt die richtigen Fragen, ist alles andere als langweilig und klopft auf Schichten des Stoffs, die traditionelle Salome-Produktionen gern unter den Regie-Teppich kehren. Auf der anderen Seite übertreibt Guth, das Bühnenbild des Mittelteils (vom Auftritt Herodes‘ bis zum Tanz) ist ein schlechter Scherz aus Holzfurnier, das Robotergezappel hat man oft genug gesehen. Tiptop ist das Licht (Olaf Freese).

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Turandot: Pankratova, Magrì, Pape, Peretyatko

Die Turandot an der Staatsoper Unter den Linden trendet, was nach den Corona-gebeutelten Besucherzahlen 20-22 auch die Verantwortlichen freuen dürfte. Heuer, bei der Wiederaufnahme, sitzt Mehta nicht mehr am Pult, aber Pape, Peretyatko und Pankratova sorgen für Kontinuität, als furchtloser Prinz Calaf lösen sich Magrì und Karahan ab. Stölzls raffinierte Marionetten-Turandot rettet den Premieren-Schwung in den Repertoire-Alltag. Prima, die Handhabung der Steuerseile sowie die Demontage der Puppe läuft inzwischen zwischenfallfrei (dicker Schlussapplaus für die Bühnenarbeiter).

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Richard Strauss Daphne: Romeo Castellucci, Lotte-Boecker, Pavel Černoch

Hört man Daphne ein zweites Mal, kann man das Opernspätwerk fast mögen.

Daphne ist wie Tosca, nur ohne Sex. Die Oper, Einakter, durchkomponiert, handelt von einer tödlichen Dreier-Beziehung. Daphne steht zwischen zwei Tenören, einem lyrischen, Leukippos und einem heldischen, dem Gott Apoll.

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Staatsoper Berlin: Daphne Premiere

Richard Strauss komponiert Daphne – Untertitel: „bukolische Tragödie“ – 1937, das Libretto schrieb der von Stefan Zweig empfohlene Joseph Gregor, Uraufführung war im Oktober 1938, Dirigent in Dresden war Karl Böhm. Wie Elektra und Ariadne zählt Daphne zu den „griechischen“ Strauss-Opern. Übersichtlich, einaktig spult die Handlung ab. Leukippos und Apoll werben um Daphne. Apoll tötet Leukippos, erkennt jedoch seine Schuld und erbittet von Zeus die Verwandlung Daphnes in ein Lorbeergewächs.

Wie inszeniert man so was?

Daphne Richard Strauss Berlin
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Staatsoper Berlin Carmen: Gaëlle Arquez, Stanislas de Barbeyrac

Überraschung an der Staatsoper. Es gibt eine Carmen, wo sie Französin und er Franzose ist.

Wie stellt das Gaëlle Arquez, Französin, mit der Carmen an? Sie lockt, höhnt, ist amoureuse à perdre l’esprit – aber ohne Cliché. Arquez singt die Carmen als selbstbewusste Französin, schnippisch, leicht und biegsam. Kein Ton geht verloren. Sie holt es aus Bizets so exakter Musik heraus, Carmens schroffen Egoismus, ihren selbstsicheren Spott vor der Zigarettenfarbrik, ihren funkelnden vor Hass vor der Stierkampfarena. Die Habanera (L’amour est un oiseau)? Nicht theatralisch, sondern punktgenau. Die Seguidilla (Près des remparts de Séville)? Ohne Anbiederung, aber mit feiner Verve.

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Staatsoper Berlin Samson et Dalila: Elīna Garanča, Jagde, Gagnidze, Guggeis

Am Mittwoch noch schnell in Samson et Dalila mit Elīna Garanča und Guggeis.

Langsam werde ich warm mit der Jesuslatschen-Oper von Camille Saint-Saëns.

Elīna Garanča lässt als Dalila die kühle Flamme ihres Timbres züngeln. Es sind ja mit betäubendem Luxus strömende Linien, die Saint-Saëns da für einen Mezzosopran komponiert. Garančas Mezzo hat dafür eine wunderbar anstrengungslose Tiefe und eine geräumige Mitte. Die wenigen Zierfiguren (im wilden Duett mit dem Oberpriester im 2. Akt) absolviert Garanča famos. Ich finde, dass sie in Akt I behutsam beginnt. Und dass sie bei der Premiere müheloser, klangvoller sang, das Legato schöner war. Mein zweiter Eindruck: Guggeis ist einen Ticken zu schnell für sie. Den berühmten Gesang der (vorgetäuschten) Liebe Mon cœur s’ouvre a ta voix (Akt 2, eigentlich ein Duett) absolviert die Lettin wie man es markenzeichenhaft von ihr kennt: meisterhaft beherrscht, emotional kühl.

Elīna Garanča, Brian Jagde, Gagnidze, Thomas Guggeis, Samson et Dalila, Unter den Linden, Berlin
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Harding+Berliner Philharmoniker: Ligeti, La Mer, Britten, Okeaniden

Das ist ein enttäuschender Start der Biennale der Berliner Philharmoniker, die den 1950ern und -60ern gewidmet sind.

Warum?

Im Eröffnungskonzert entstammen gerade einmal zwei Stücke von acht bzw. zehn Minuten Länge den zwei von Aufbruch geprägten Nachkriegsjahrzehnten. Chefdirigent Petrenko ist erneut am Fuß verletzt, und Einspringer Daniel Harding verlagert den Akzent überraschenderweise auf das Thema – Meer. Neu im Programm finden sich also Sibelius‘ hübsche Okeaniden, die sich als würdige Schwestern von Wagners Rheintöchtern erweisen, und die unergiebigen Sea Interludes von Britten, die immer nach schlechtem Puccini klingen (Bohème, Butterfly), als hätte man Puccini ins nasse East Suffolk verschleppt.

Berliner Philharmoniker La Mer Daniel Harding
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Memory und margine: Ultraschall Berlin 2023

Was bringt Ultraschall Berlin 2023?

Tief im Westen, vis-à-vis von Messe und Avus, startet hinter der monotonen Backsteineleganz des Rundfunkhauses das Festival Ultraschall Berlin. Zu was? Wozu? Warum?

Dass Ultraschall im preußisch nüchternen, weitgehend dekonfessionalisierten Berlin mit einem katholizierenden Werk startet, mutet an wie ein Zug fröhlicher Perfidie seitens der Festivalleiter Göbel und Pöllmann. Liza Lim, Australierin, 1966 geboren, thematisiert in Mary / Transcendence after trauma Stationen aus Marias Leben. Sie tut dies episodisch verdichtet und dimensional geweitet, womit Lim zum einen Ausdauer im Kampf um die Aufmerksamkeitspannen der Zuhörer beweist, zum anderen die an drogeninduziert Visionäres erinnernden Einbrüche von Bläserbuntheit fest im Verlauf verortet. Das Stück läuft in einer Art Lichtstrom aus. An den Pulten das Deutsche Symphonie-Orchester, vorne steht Zagrosek.

Ich höre die Konzerte im Stream auf Deutschlandfunk, meist live, eines nachträglich vom Mediaplayer des Festivals.

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Deutsche Oper: Runnicles Bruckner 6. Sinfonie

Das ist aber doch mal ein Vergnügen, Beethoven und Bruckner am frühen Sonntagabend in der Deutschen Oper.

Das Vergnügen kommt allerdings erst nach der Pause. Beethovens Klavierkonzert Nr. 3 rollt weniggeprobt dahin, und Shai Wosner ist für Berliner Verhältnisse ein mittelmäßiger Pianist, der auch in der Kadenz und bei der Zugabe nicht überhell glänzt.

Die 6. Sinfonie von Bruckner, die Donald Runnicles dirigiert, ist aus anderem Holz geschnitzt.

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Deutsche Oper: Simon Boccanegra

Simon Boccanegra ist je nach Zählung Verdis 21. Oper, wenn man die erste Fassung von 1857, und Verdis 27., wenn man die zweite von 1881 meint. Auf jeden Fall ist Simon Boccanegra eines von Verdis Opernschmerzenskindern. Die Geschichte aus dem mittelalterlichen Genua ist düster, das Textbuch stammt von Piave, der für Verdi auch Rigoletto und Traviata schrieb. Die Uraufführung in Venedig wurde ein Fiasko. Ein Vierteljahrhundert später machte sich Verdi mit Otello-Librettist Boito an eine Überarbeitung. Aber auch in der 1881er-Fassung, zehn Jahre nach Aida, sind Arien und Cabaletten rar, bleibt der finstere Prolog, stehen vier große Männerrollen gegen die prima donna. Die Solonummern sind Gift für jedes Wunschkonzertprogramm. Berühmt sind die Meeresschilderungen im 1. und 3. Akt, die Jader Bignamini mit viel Gefühl aus dem Orchester der Deutschen Oper hervorlockt.

Auf das Meer verzichetet der russische Regisseur Vasily Barkhatov ganz.

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Die Sache Makropoulos

Was ist Die Sache Makropoulos? Eine Oper, aufregend, vertrackt, seltsam bis zur Verschrobenheit, von 1926, tschechisch.

Wenn man irgendwo hören kann, wie das Prag der Kafka-Zeit, späte 1910er, frühe 1920er war, dann bei Janáček, und ganz besonders bei Makropoulos (genaue Spielzeit: 1922).

Und dennoch vermischen sich hier Gegenwart und fernste Vergangenheit in dieser Kanzlei-, Diven- und Alchemistenoper, die das k.-und-k.-Böhmen des 19. Jahrhunderts beschwört und dann noch weiter zurückgreift bis auf das kaiserliche Prag Rudolfs II. Die Wiederaufnahme enttäuscht zwei Mal. Rachel Harnisch kann erstens stimmlich nicht überzeugen, und Finnegan Downie Dear am Pult der Staatskapelle kann zweitens der Partitur keinen präzisen Puls geben.

Foto: Monika Rittershaus
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RSB: Frank Peter Zimmermann spielt Strawinsky

Ich bin gerade öfters bei dem Geiger Frank Peter Zimmermann, sogar, wenn etwas Russisches gespielt wird. Wie oft hat Zimmermann das Violinkonzert von Strawinsky, der bei seinem Tod 1971 US-Bürger war, schon gespielt? 100 Mal?

Konzertbeginn in der Philharmonie ist 16 Uhr. Das RSB spielt im Großen Saal. Daußen beginnt die Dämmerung, ist der Potsdamer Platz klamm und das Kulturforum windig.

Was fällt einem auf die Schnelle zu Frank Peter Zimmermann ein, wenn die Zirkuspolka von Strawinsky vorbei ist und es nur noch Augenblicke bis zum Violinkonzert sind? Nüchternheit und Eleganz. Leidenschaft und Akribie. Dazu die leicht gedrungene Erscheinung fast aller Weltklassegeiger. Die Lederherrenslipper. Dann spielt er.

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