Beethoven Sinfonien Nr. 8 & 9
Achte Sinfonie. Allerliebst, frisch, schlawinerhaft und intelligent gespielt. Im Finale nuscheln die Streicher beim Hauptthema. Die Durchführung des ersten Satzes hätte noch mehr Brio vertragen können. Die letzten zwei Takte des ersten Satzes (Themenkopf im pp) drosselt Thielemann mit sehr kräftigem Rubato auf ein Drittel des Grundtempos. Brav, Christian, kriegst ein Zuckerl.
Neunte Sinfonie. Sehr gut. Geniales Prestissimo, wie überhaupt das Finale am besten gelang. Es hatte Saft, Tempo und die Wiener Philharmoniker wurden der Lockerheit der Faktur glänzend gerecht. Annette Dasch bekam ein Buh (das einzige, das während des gesamten Zyklus zu hören war). Und, o Wunder, wieder keine Zugabe.
Optisch ist Christian Thielemann ein komplizierter Fall. Thielemann gibt das Tempo vor, das andere schaukeln die Philharmoniker nach Hause. Thielemann ist sozusagen die Uferböschung, die Wiener Philharmoniker sind der Fluss. Bei Thielemanns Dirigierstil mischen sich Lässigkeit und kalkulierte Ungebobeltheit. Manchmal sieht Thielemann aus wie ein Gorilla (rustikale Stellen). Manchmal grinst er wie ein Fünfjähriger, der zugibt, dass die geklauten Bonbons gut geschmeckt haben (schöne Solostellen). Manchmal sieht er aus, als rühre er Beton an (pathetische Stellen). Kaum ist der Satz aus, lässt Thielemann die Arme niedersausen, wischt sich in einem Affentempo den Schweiß von der Stirn und bedankt sich lächelnd beim Orchester, und das alles in 1,5 Sekunden. Die ersten Sätze nimmt Thielemann in mäßigem Tempo, ebenso die zweiten Sätze. Die Scherzi sind plötzlich deutlich flotter. Finali sind tempomäßig in etwa so, wie man sie gewohnt ist. Na, Rattle ist bei den letzten Sätzen schon schneller. Die pathetischen Sinfonien spielen die Wiener Philharmoniker mit 2 x 16 Geigen, die leichteren (Achte, Vierte, Erste, Zweite) mit 2 x 14, die Sechste mit 2 x 15. Die volle Streicherbesetzung ist 16,16,12,10,8.
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