Das Fauré Quartett spielt, Annette Dasch singt.

Im Konzerthaus Berlin mischen die fünf Akteure Kammermusik und Liedrecital, mixt man frech und frei Brahms, Wagner und Mahler. Der Abend spielt mit Echtem und Fast-Echtem, koppelt das ehrwürdige Klavierquartett op. 60 von Brahms an Klavierquartettbearbeitungen von Liedern Gustav Mahlers und Richard Wagners. Und hebt dann auch noch das ehrwürdige Opus 60 häppchen- bzw. satzweise unter das Liedgut. Und – Überraschung! – es funktioniert. 

Annette Dasch singt die 13 Lieder mit kraftvoll zupackender Stimme. Aus den zwischen Sehnsuchthitze und Lebensverneinung schwankenden Wesendonck-Liedern Wagners ragen die unbekannteren Schmerzen und Träume heraus. Dasch pendelt da zwischen Diva und Tragödin, kann aber auch feinsinnige Poetin. Da ist er, der intensive Sopranklang, da ist sie, die konzentrierte Tonbildung: Der Engel pinselt sie vokal mit breitem Pinsel hin, lässt ihre Stimme massiv leuchten, auch wenn die Artikulation dabei nicht immer mit letzter Quellwasserfrische daherkommt und Töne steif und schwingungsarm klingen können.

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Ich habe Annette Dasch zuletzt als Elsa an der Deutschen Oper gehört, die Elsa singt sie in Kürze auch in Wien, und Eva (Die Meistersinger) singt sie auch. Viel Wagner also, aber Frau Dasch bedient ebenso gerne das operettige Genre, ohne dass es anbiedernd klingt, und zeigt sich ebenso als Rosalinde (zur Zeit an der Deutschen Oper) wie als Lustige Witwe.

Ähnliches Bild wie bei Wagner dann bei Liedern von Gustav Mahler. Bei Mahler ist Temperament angesagt, auch Einfühlung in die Texte ist nicht von Schaden, von beidem investiert Dasch viel in dem reizend kecken Rheinlegendchen. Das dass Volkston-Aroma von Mahlers Wunderhornliedern alles andere als künstlich ist, zeigt Dasch in den todtraurigen Liedern Wo die schönen Trompeten blasen und Wenn mein Schatz Hochzeit macht. Da fällt auf, dass Daschs an Farben außergewöhnlich reicher Sopran, der viel Körper und Profil besitzt, auch spröde sein kann. Gefühlsausbrüche, tief Empfundenes füllt die Sopranistin mit stimmlicher Wärme. Kein Mangel auch an Verve und Gusto in der übermütigen Erinnerung, wo sie an vollmundige Spitzentöne tippt. Die Attacke ist wohl träger geworden, und ein ewiges Dasch-Thema (wenigstens für mich) ist die bisweilen um eine Schwebung (zu tief?) liegende Intonation. Auch das hemdsärmelig-berlinerische, eben eckige Legato gehört hierher. Dagegen gehört Scheiden und Meiden zum Feinsten da, wo Dasch ihr charmantes Charakterisierungsgenie aufblitzen lässt.

Meinem Gefühl nach passen die Klavierquartett-Bearbeitungen (angefertigt von Dietrich Zöllner) besser zu Wagners süffiger, großbogig angelegter Hochromantik als zur klanggenauen und detailbewussten Spätromantik Mahlers (Ausnahme: Wenn mein Schatz Hochzeit macht und die Zugaben). Zwischen und neben den Liedern, heimatlosen Trouvaillen gleich, erklingen die vier Sätze aus Brahms‘ brausendem und explosivem, von Clara-Schmerz überwältigtem c-Moll-Klavierquartett Opus 60, das das Fauré Quartett pulsierend und genau, melodiensatt und leicht im Schweren spielt.

Schlüssig schließlich die Zugaben, zwei Mahlerlieder, die den Liebesleid-Fokus des Abends ins Heitere ziehen. Annette Dasch singt beide mit Herz und Schmackes. Aus! Aus! (Heute marschieren wir! Juch-he, im grünen Mai) wird zu einer bewegenden, ausgelassenen Szene ausgestaltet, und auch das verschmitzte Wer hat dies Liedlein erdacht? funkelt in unverbrauchtem Temperament.

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