Marianne Crebassa sagt ihren Liederabend (Debussy, Ravel, Berlioz, Guridi) im Boulez-Saal leider ab. An Konzerten wie dem des RSB mit Schostakowitsch und Rachmaninow (Jurowski, Julia Fischer) habe ich das Interesse verloren. Die Aufarbeitung des Stalinismus durch Schostakowitsch interessiert mich gerade nicht. Russische Nostalgie interessiert mich zur Zeit auch wenig. Wenn die Italiener Paris bombardieren würden, hätte ich auch keine Lust auf Tosca.
Mamma mia, wie quälend lange kann eine Prima aus der Scala sein. Für mich sind die rezitierten Texte (u.a. von Dante, 2021 ist 700. Todestag) astreine Stimmungs-Killer. Außerdem ist längst nicht alles Stimmgold, was auf dem Bildschirm glänzt. Aber es gibt berückende Momente. Das schon. Arte überträgt. Es ist ein Abend à l’italienne. Viel Verdi, einiges von Puccini, dazu ein bissl Belcanto, Französisches, Verismo, ein bissl Wagner. Nichts, was der Melomane nicht kennt.
Ich schaue mir das Ganze nicht an, sondern nehme auf und höre zu später Stunde nach – und schaue stichprobenartig in den Arte-Stream („Ein besonderer Abend an der Mailänder Scala“) rein.
Man startet leidlich mit Rigoletto. Denn Luca Salsi gibt den antihöfischen Hassausbruch Cortigiani, vil razza mit viel Larmoyanz und wenig Wucht, und der zum Supertenor hochgepuschte Vittorio Grigolo verfügt in der Cavatine La donna è mobile über ein allzu dünnes Stimmchen. Obendrein läppert es mit der Interpretation. Besser ergeht es dem Don Carlo-Block. Ordentlich Ildar Abdrasakow, der für Ella giammai m’amò ausreichend königliche Tristesse bereithält, baritonfein dann Ludovic Tézier, der edles Material und geschmeidiges Legato präsentiert (Per me giunto), und schlussendlich, in O don fatale, die herzzerreißend kühle Elina Garanča als elegante Belle-Epoque-Reisende. Keine der Mezzos verflucht derzeit eloquenter die eigene Schönheit.
Regnava nel silenzio: Lisette Oropesa als goldnes Belcanto-KehlchenWeiterlesen →
Von den Opern, die nicht geschrieben wurden, ist Debussys Der Untergang des Hauses Usher (neben Richard Wagners Jesus von Nazareth und Schönbergs Pelleas und Melisande natürlich) eine der faszinierendsten. Doch bekanntlich muss man sich mit Wagners promiskuitivem Ring und Debussys schwermütigem Pelléas et Mélisande begnügen. Darüber hinwegtröstet die Tatsache, dass Pelléas et Mélisande ein Meisterwerk ohne Gleichen ist, auch wenn es Längen und dafür weder Arien noch zugkräftige Finali hat. Weiterlesen →
Die Staatskapelle Berlin greift nach Debussy und spannt den Bogen vom Jugendwerk bis zum dezenten Meisterwerk der späten Jahre. Als erstaunlich entpuppen sich besonders die nicht allzu bekannten Trois Ballades de François Villon, die Marianne Crebassa verblüffend perfekt singt.
Die Französin – 2015 schon ein aufregender Cherubino an der Staatsoper – präsentiert die drei Orchesterlieder mit unerschütterlicher Spontaneität. Ihr Ton ist reich, ihre Stimme sitzt perfekt, klingt üppig und wahnsinnig entspannt. Ich höre ein fein gezeichnetes Vibrato und einen Klangkern aus tausend Nuancen kühlen Kupfers, um den sich feinster Samt legt. Marianne Crebassa singt einen erstaunlichen Debussy. Auch die drei Balladen will man gerne öfters hören. Weiterlesen →