Von den Opern, die nicht geschrieben wurden, ist Debussys Der Untergang des Hauses Usher (neben Richard Wagners Jesus von Nazareth und Schönbergs Pelleas und Melisande natürlich) eine der faszinierendsten. Doch bekanntlich muss man sich mit Wagners promiskuitivem Ring und Debussys schwermütigem Pelléas et Mélisande begnügen. Darüber hinwegtröstet die Tatsache, dass Pelléas et Mélisande ein Meisterwerk ohne Gleichen ist, auch wenn es Längen und dafür weder Arien noch zugkräftige Finali hat. 

Pelléas et Mélisande Staatsoper Berlin Crebassa Volle Villazón Larsson

Foto: Monika Rittershaus

An der Berliner Staatsoper erlebt nun ebendieses Werk in der ewig jungen Inszenierung von Ruth Berghaus und einer hörenswerten Besetzung die Wiederaufnahme. Michael Volle singt den alternden Witwerprinzen Golaud mit mächtiger Stimme. Volle bietet ein wuchtiges, in den Ausbrüchen der Eifersucht (4. Akt) ebenso wie in den eindringlich leisen Deklamationsstellen (1., 2. Akt) packendes Porträt. Rolando Villazón gibt dem Pelléas mit verzehrendem Timbre und schnellem Vibrato glaubhafte Präsenz bei freilich sich nach oben hin rapide verengender Höhe. Marianne Crebassa dosiert bei unverwechselbarer Diktion in bewundernswerter Weise Farben und Espressivo. Die Altistin Anna Larsson verkörpert eine prachtvolle Prinzenmutter Geneviève. Dominic Barberi ist der wohlklingende Arzt. Dass alle Akteure in Kostümen (Hartmut Meyer) stecken, die vermuten lassen, dass sich die Handlung unter philanthropischen Marsianern abspielt, ist typisch Berghaus und so zählt der Mix aus Science Fiction und Rudolf Steiner zu den Pluspunkten dieser Inszenierung.

Ich finde lange nicht in Daniel Barenboims leises, mit weich fließenden, gedeckten Farben arbeitendes Dirigat hinein. Erst nach der Pause gefällt mir der impulsive 4. Akt. Pelléas et Mélisande (ist das immer schwierig, bei den Accents keine Fehler zu machen) ist immer einen Besuch wert. Aber erwarten Sie keine theatralischen Arien, sondern nuanciertes Singen nahe am Sprechgesang und ein feine Musik voller Anspielungen und geheimer Subtexte, die sich nur hin und wieder zu Stichflammen der Leidenschaft hinreißen lässt (die es dann aber in sich haben).


Hundert11 hat sich auch den Pelléas angehört und bespricht ihn gewohnt lesenswert. Brug war wohl nur drin, weil Merkel auch drin war, sonst interessieren ihn Wiederaufnahmen eher wenig.

 

Marianne Crebassa singt Mélisande, Michael Volle singt Golaud

Pelléas et Mélisande Staatsoper Berlin Daniel Barenboim