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Die Staatskapelle Berlin greift nach Debussy und spannt den Bogen vom Jugendwerk bis zum dezenten Meisterwerk der späten Jahre. Als erstaunlich entpuppen sich besonders die nicht allzu bekannten Trois Ballades de François Villon, die Marianne Crebassa verblüffend perfekt singt.

Die Französin – 2015 schon ein aufregender Cherubino an der Staatsoper – präsentiert die drei Orchesterlieder mit unerschütterlicher Spontaneität. Ihr Ton ist reich, ihre Stimme sitzt perfekt, klingt üppig und wahnsinnig entspannt. Ich höre ein fein gezeichnetes Vibrato und einen Klangkern aus tausend Nuancen kühlen Kupfers, um den sich feinster Samt legt. Marianne Crebassa singt einen erstaunlichen Debussy. Auch die drei Balladen will man gerne öfters hören.

Zu Beginn erklingt Debussys Jugendwerk La Demoiselle Élue, das mir inzwischen ausgezeichnet gefällt. Donald Runnicles machte es 2015 mit den Berliner Philharmonikern. Heute sind die Solisten reizender. Anna Prohaska singt mit schmal-kostbarem Sopran, Crebassa strömend und makellos. Ich sage etwas Ketzerisches: Der Staatsopernchor sang vor zehn Jahren homogener.

La Mer swingt da ungleich symphonischer. La Mer ist eine dreiteilige, meerisch mäandernde Sinfonie, hochkonzentriert und mit vibrierendem Herzen komponiert von einem französischen Neptun. Daniel Barenboim liebt besonders die Tutti-Turbulenzen, die sich rasch zu harscher Heftigkeit steigern. Unvorstellbar, welches Leben da in Minimotiven und Nebennoten wimmelt und sich dann plötzlich schwarmintelligent in despotischen Streicherlinien sammelt. Gewalttätig auch die um eine zentrale Triole konzentrierte Figur (Bässe, Celli) zu Beginn von Teil 3 (animé et tumultueux), und es verwundert und scheint logisch zugleich, dass in manchen Höhepunkten Alban Berg anklingt. Barenboim haut ganz schön auf die Pfanne (fff). Es kann sein, dass die Blechbläser ihre Fanfaren zu breit auswalzen, aber als Ganzes ist dieses Mer aus einem Guss, eine hitzige Meeressinfonie mit einer Prise Sacre du Printemps.

Nur die Trois Nocturnes erwischen mich auf dem falschen Fuß. Sie klingen, als wäre die Orchestrierung nicht von Debussy. Obendrein finde ich die  Nocturnes langweilig. Debussy möge mir verzeihen.

Ein wichtiges Konzert mit starker Werkauswahl und feinen Solisten.


Auch besprochen von Hundert11, Manuel Brug und bei rbb24 Kultur.

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Staatskapelle Daniel Barenboim Konzert 2018 Debussy