Was ist schlecht an der neuen Linden-Aida? Nicht viel. Die Videos sind sicherlich schlecht.
Es gibt eine neue Amneris, die Französin Clémentine Margaine, ihre Kraft ist guttural, ihr Sound üppig, ihr Singen angenehm zuverlässig, und sie bringt für die Rolle der Rivalin die richtige Mischung aus menschlich und rassig mit, ohne eine Mezzo-Maschine zu sein wie die formidable Garanča, bei der man nie genau weiß, ob echtes Blut in ihren Adern fließt oder irgendein baltisches Frostschutzmittel.
Alles beim Alten bei der neuen Aida? In der dritten Vorstellung gibts einige Buhs vor der Pause. Aber häufiger ist beifälliges Gekicher zu hören. Die Stimmung ist entspannt.
Denn die Neuproduktion von Calixto Bieito ist so kurzweilig wie überraschend. Und immer leicht nervig. Überraschend, weil die nagelneue Hubbühne dem klaren, geschickt mit Lichteffekten spielenden Bühnenbild Beine macht. Kostüme sind Hingucker, die Protagonistinnen giften sich im Glitzerfummel an. Schocker gibts nicht, außer wenn Feldherr Radamès beim Duett-Singen Gefangene exekutiert. Den Themenfächer kolonial, Kapitalismus & co hat Castorf anlässlich der Neuinszenierung von Macht des Schicksals an der DO aber triftiger entfaltet. Nachgerade hochironisch wirkt die piefige Beflissenheit, mit der Bieito ein Politkorrekt-Thema nach dem anderen abarbeitet.
Die neue Aida an der Staatsoper floppt fast, weil sie alles auf einmal will.
Stellenweise überambitioniert, bisweilen hektisch, und auf spielerische Art verweis- und bilderreich ist das, was Calixto Bieito Unter den Linden als Neuinszenierung des Eifersuchtsdramas um die äthiopische Prinzessin, die als Sklavin inkognito am ägyptischen Königshof lebt und in Liebe zu dem zukünftigen Feldherrn Radamès entflammt, präsentiert.
Immerhin ist die Neuproduktion das genaue Gegenteil der saftlosen Antikenmuseum-Story von Pet Halmen. Die hatte 1995 Premiere. Bieito präsentiert ein fröhliches tutti frutti der Deutungsansätze, mischt alles mit allem: viktorianisches Kostüm mit glitzerndem Paillettenfummel (Ingo Krügler, Kostüme), elegant aus Wandnischen herausfahrende, laubbekränzte Vodoofiguren mit dem vermutlich abgedroschensten Requisit des Regietheaters, der Maschinenpistole. Bild schiebt sich über Bild. Weißhäutige Wohlstandskinder sortieren gedankenverloren Elektroschrott. Der äthiopische König Amonasro entspringt zum Duett mit seiner Tochter einem grellweißen Jetztzeitkubus (Bühne Rebecca Ringst). Noch vor dem Vorspiel zum ersten Akt werfen Demonstranten imaginäre Steine gegen das Publikum.