Ich bin gerade öfters bei dem Geiger Frank Peter Zimmermann, sogar, wenn etwas Russisches gespielt wird. Wie oft hat Zimmermann das Violinkonzert von Strawinsky, der bei seinem Tod 1971 US-Bürger war, schon gespielt? 100 Mal?

Konzertbeginn in der Philharmonie ist 16 Uhr. Das RSB spielt im Großen Saal. Daußen beginnt die Dämmerung, ist der Potsdamer Platz klamm und das Kulturforum windig.

Was fällt einem auf die Schnelle zu Frank Peter Zimmermann ein, wenn die Zirkuspolka von Strawinsky vorbei ist und es nur noch Augenblicke bis zum Violinkonzert sind? Nüchternheit und Eleganz. Leidenschaft und Akribie. Dazu die leicht gedrungene Erscheinung fast aller Weltklassegeiger. Die Lederherrenslipper. Dann spielt er.

Philharmonie Berlin Rundfunk-Sinfonieorchester

Zimmermanns Strawinsky ist einer der rhetorischen Raffinesse. Und der sachlichen, mitunter beinah zärtlichen Virtuosität der Ecksätze.

Aber auch in den Binnensätzen (Aria I + II) verbreitet Zimmermanns Geige feine Durchhörbarkeit. Der Ton ist fest, elastisch, biegsam. Nicht zu groß. Nie gleichgültig.

In der Aria II, als Zimmermanns Geige konzentriert singt, ist es ein Genuss, zu verfolgen, wie der Solist fortwährend das Vibrato nuanciert. Und das Tänzchen mit dem Fagott im Finale wird auf einmal fast empfindsam hingelegt. Es gibt keinen einzigen forciert runtergerissenen Akzent (ähm, Frau Kopatschinskaja?).

Rasch sei gemäkelt, dass die Bläser zu laut sind (auch später bei Schubert), und wenn Geiger und Orchester auseinander sind, habe ich den Eindruck, Zimmermann zögere in einer Art liebenswertem Sadismus das Wiederzusammenkommen länger als nötig hinaus.

Ich sitze seitlich, aber ich glaube, dass die Leute in K rein akustisch nichts von den feineren Details von Zimmermanns Interpretation mitbekommen.

Die 8. Sinfonie von Schubert gibt Chefdirigent Wladimir Jurowski als kräftig voranschreitende, große Sinfoniearchitektur. Insgeheim stimme ich Hanslick zu, der Anno 1892 in Wien klagt: „Wer hätte es nicht an sich erfahren, wie das unvergleichliche Glücksgefühl, das aus dem D-moll-Andante in uns einströmt, nach der Mitte des Satzes immer schwächer wird, um endlich einer ungeduldig den Schluß erwartenden Abspannung Platz zu machen.“

Alles andere als Abspannung versprechen die neuen RSB-Podcasts. Der heutige ist von Susanne Westernfelder (hier nachhören, auf „Podcast“ klicken): „Hört euch das mal an. Das passiert nämlich im letzten, dem vierten Satz der Sinfonie.“ Man wird geduzt, es ist lustig, und man lernt auch noch was dazu.