Kraftvolles Vorspiel mit energischen Farben. Ein echter Nelsons. Das straffe Orchester tut nach Thielemanns Soft-Tempi gut. Sehr rhythmisch. Die Chöre bekommt Nelsons wunderbar bewegt hin. Klar und schnörkellos auch die Piano-Linie der Celli zu Anfang des 2. Aktes. Genialer Galopp des Fortissimo nach Telramunds „Meine Ehr ist hin“. Das Vorspiel zum 3. Akt hat im lyrischen Teil Schumannsches Melos. Hervorragend die kraftstrotzende, präzise Orchestereinleitung zur 3. Szene, 3. Akt.

Wilhelm Schwinghammer: Heute Abend hören wir einen König Heinrich in sportlicher Ausführung, der bei dem Tempo, das Nelsons anschlägt, durchaus Würde zeigen kann. Trockene, doch wortdeutliche Kantabilität („Mein Herr und Gott, nun ruf ich dich“). Es fehlt klangliche Exuberanz, um mal ein schönes Fremdwort zu gebrauchen.

Thomas J. Mayer: Vielleicht war das Tempo nicht ganz sein Ding. Er gehört nicht zu den Vokalprotzen. Die „F“s und „G“s zu Beginn des 2. Akts bellt Mayer heraus.

Annette Dasch: Ich kann mich mit Annette Dasch nicht anfreunden. Ich höre bei ihre keine Gestaltung. Sie hat wenig Gefühl für Phrasierung. Sie singt, indem sie die Noten vor sich hinschiebt. Daschs Sopran ist in der Höhe unstetig und angestrengt, das Vibrato ist schwerfällig. Ausdruck: is nich. Weder Jubel, noch Geheimnis, noch Innigkeit. Es gibt kaum einen Takt, in dem ich ihre Stimme der Rolle angemessen finde. Hören das andere nicht? Überhöre ich da etwas? Dasch Elsa – warum?

Klaus Florian Vogt: Das spacige Timbre Klaus Florian Vogts kennen Sie. Es führt dazu, dass in der Schlafzimmerszene eine ähem…, unerotische Atmosphäre vorherrschend ist. Die androgyne Verve in Vogts Vortrag befremdet und fasziniert. Vogts Phrasierung produziert im 1. und 2. Akt reihenweise seltsam ungeformte Töne („EEELsa, ich liebe dich“). Ja, es ist eindrucksvoll, wie sein Stimmchen ähnlich einem kleinen tapferen Schiff auf den gewaltigen Wogen des Chores („Heil deiner Fahrt“) immer deutlich vernehmbar ist.

3. Akt. Hier brilliert Vogt. Reinheit der Linie und des Tons, wenn die Klanggestaltung ab und an auch geradezu naiv wirkt. Klaus Florian Vogts 3.-Akt-Lohengrin ist vor allem rein klanglich bewundernswert gut. Man kann die Augen zumachen und genießen. Einiges dürfte zur Zeit konkurrenzlos sein, wenn auch meinem Eindruck nach nicht das irgendwie manirierte „In fernem Land“. Gegenüber dem Barenboim-Lohengrin an Unter den Linden kommt mir Vogts Tenor konstanter, durchgestalteter und kraftvoller vor.

Prima: der kraftvolle He-Elsa-bitte-mehr-Respekt-vor-meiner-tollen-Mission-Monolog („Höchstes Vertraun“). Der empörte Schulmeisterton in „wirst nimmer du vor dem Gebote wanken“ ist allererste Sahne. Gut auch das zornig-empörte „Ach schweige, Elsa“ bzw. „Was thatest du?“ Kommt das von Neuenfels?

Susan Maclean: Keine Offenbarung.

Die Inszenierung sieht aus, als dürfte sie einigen Spaß machen. Der Schluss hat was. Der Chor: ein Vergnügen. Höre ich da etwa Eberhard Friedrichs Handschrift heraus? Die Tendenz, Einzelstimmen lebhaft aus dem Gesamtklang hervortreten zu lassen, erinnert mich an die Meistersinger- und Lohengrinchöre an der Staatsoper Berlin.

Kritik/Review Lohengrin Bayreuth: Musikalisch Hauptsache wegen Andris Nelsons mindestens ein 5er im Lotto. Annette Dasch nein. Klaus Florian Vogt ja. Aber wenn alle Wagnertenöre so singen würden, wäre ich schon längst zu Gilbert & Sullivan gewechselt. Die Besetzung ist annehmbar.

Dirigent: Andris Nelsons / Regie: Hans Neuenfels / Besetzung: Klaus Florian Vogt (Lohengrin), Annette Dasch (Elsa), Wilhelm Schwinghammer (König Heinrich), Thomas J. Mayer (Telramund), Susan Maclean (Ortrud), Samuel Youn (Heerrufer)