Endlich wieder Musiktheater, endlich wieder eine Opernpremiere an der Deutschen Oper Berlin. Es wird live gesungen, real gespielt – auf der Bühne und im pickepacke-vollen Orchestergraben. Das Ergebnis: eine fulminante Titelrolle für Sara Jakubiak, eine (in Deutschland, peccato) kaum bekannte Oper der italienischen Spät-Décadence, Francesca da Rimini, leidenschaftliche, schwelgende Musik. Vier Akte, Spielzeit netto zweieinviertel Stunden. Das Sujet entstammt dem italienischen Mittelalter, drei Brüder, einer schön, einer lahm, einer einäugig, rivalisieren um die schöne und stolze Francesca. Es folgen Betrug, Ehebruch, Eifersucht, Ehefrau- und Brudermord. Das Libretto komprimiert glücklich das gleichnamige Drama des D’Annunzio. Was sagt die Kritik?

In klaren, kühlen Bildern inszeniert Christof Loy Riccardo Zandonais Meisterwerk. Man befindet sich in der Entstehungszeit der Oper, späteste Belle Époque, die Frauen tragen Blümchenkleider, die Männer Anzug schwarz und Krawatte. Loy lässt Johannes Leiacker einen lichtdurchfluteten, großbürgerlich weiten Raum eines Landhauses entwerfen. Der taugte genauso gut für Rosenkavalier, Arabella oder Figaro (mitsamt Tapete und raumhoher Verglasung zur Gartenterrasse). Keine Experimente, lautet die Regie-Losung. Aber so gibt Loy Zandonais Sängerpersonal den Raum, um die heftigen Leidenschaften gebührend zu entfalten. Die Personenführung ist klar, die Handlung unmittelbar einsichtig. 1:0 für Loy.
Sara Jakubiak ist die aus politischem Kalkül Betrogene und leidenschaftlich Liebende (schwarz in schwarz raffiniert gemusterte Robe). Jakubiaks Sopran malt Leidenschaften und Seelengeheimnisse, sie spielt herzerweichend. Für einige Spitzen in den tumultuösen Schlachtszenen des 2. Akts fehlen Spinto-Qualitäten. Ihr zur Seite der hinreißend schöne Paolo, gesungen von Jonathan Tetelman, dessen Tenor frisch, spontan, frei tönt, viril das Timbre, einer der aufregendsten Tenortipps derzeit (sein 2019er Rodolfo an der Komischen Oper war ähnlich umwerfend wie der von Beczała an der Staatsoper).

Dem hässlichen Gianciotto leiht der bewährte und baritonal zupackende Ivan Inverardi seine machtvolle Gestalt und sein Mienenspiel (eisgrau nach hinten gekämmte Mähne). Francescas Bruder Ostasio gibt Samuel Dale Johnson. Der einäugige Malatestino, verkörpert vom hellstimmig und mit flügellahmem Italienisch singenden Charles Workman, komplettiert das Brüdertrio.
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