In Würde ergrauter Vollbart, wettergegerbtes Gesicht: Den Dirigenten Andrew Davis umweht die Aura eines Schiffskapitäns, der Kap Hoorn oft umrundete. Der Brite dirigiert im Großen Saal der Staatsoper die Staatskapelle Berlin an Barenboims statt, der Unter den Linden immer abwesender scheint.
Hilfe, die Briten kommen! Gleich vier Briten gastieren mit dem RSB im Berliner Konzerthaus, drei Komponisten und ein Dirigent. Alle wurden zum Sir geadelt, nur Ralph Vaughan William nicht. Der wollte nicht.
Im Programmzentrum steht Elgars stolzes, inniges Cellokonzert mit der Vehemenz seiner Melodien. Die junge Cellistin Julia Hagen ist gefühlsstark in den Rezitativen, hingebungsvoll im Kopfsatz, hitzig im turbulenten Scherzo. Das e-Moll-Werk ist auch ohne den allfälligen Verweis auf die Weltlage (Uraufführung 1919) rätselhaft. Der Kopfsatz zerfasert nach der Reprise des Hauptthemas einfach. Im Finale wird die lyrische Episode immer länger, bis die Musik fast stillsteht. Dies wunderliche Zerfasern begegnet ja schon in der Durchführung der zweiten Sinfonie von 1911. Aber Dirigent Andrew Davis und Julia Hagen zeigen auch Elgars feinen Sensualismus, Elgars Gier nach Schönheit. Am Pult kann Andrew Davis diese Musik erzählen als wärs ein Roman, episodenreich, und auf einmal knallts.
Vaughan Williams‘ in gleichfalls misslichen Zeiten (1943) erstmals aufgeführte Sinfonie Nr. 5 klingt beim ersten Reinhören auf Youtube wie pickled onions mit Yorkshire pudding. Dann aber, im Konzerthaus, ist das unwiderstehlich. Der erste Satz initiiert nordisch kreisende Motivik. Der dritte hat Brucknersche Weite (und eine Holzbläserstelle, an der die Musik rätselhaft stillsteht wie im Quintett der Meistersinger). Das in kraftvoller Mehrstimmigkeit gehaltene Finale verklingt in sanfter Stille.