Das Kubus Kollektiv (Sonya Suldina, Agata Michalec Stahl, Liese Mészár, Trude Mészár) gastiert im Kreuzberger BKA-Theater, und zwar unter der programmatischen Klammer „fragil“, womit der Abend das wenig Beständige, zeitlich und gedanklich Flüssige betont, das schlussendlich jede Musik kennzeichnet. Hauptsächlich betrifft „fragil“ hier und heute aber vier Werke, die unterschiedlicher nicht sein können.

Da ist erstens das Gletscherquartett (2018) der Südtirolerin Manuela Kerer. Wer sich angesichts der langgezogenen Knautschklänge nicht gedanklich in das Innere eines Gletschers begeben will, kann die Musik auch abstrakt bildhaft begreifen. Zwischen opakes Stillstehen fädelt Manuela Kerer dabei Lautstärkepunkte, deren Vehemenz wiederum dem transparenten Fließen die willkommen feste Tektonik gibt.

Kubus Kollektiv Berlin Unerhörte Musik Gletscherquartett Manuela Kerer
Foto: YouTube/Unerhörte Musik

Dem Streichquartett Nr. 2, „Susma“, von Zeynep Gedizliğlu (UA durch das Arditti Quartett 2007) ist nachzusagen, dass es sich einem flirrenden Vorwärtsdrängen überlässt, aus dessen gespannter Tremolo-Unruhe bei Bedarf hektische Gestik hochsprudelt. Das Werk verleugnet nicht seine atmosphärische Ader: bissl Basar, bissl Muckibude.

Das gut ein Vierteljahrhundert alte Ecumes („Schaum“, 1995) des in Bern geborenen Schweizers Jean-Luc Darbellay ist schon von Titels wegen dem Unbeständigen verpflichtet, was sich in mikroskopischem Stimmengeflimmer und Tremolo-Wuseleien niederschlägt. Die relativ lineare Konzeption und das gestisch-subjektive Pathos von Ecumes deuten das relativ „hohe“ Alter des Werks an.

Sämtliche Stücke vor der Pause dauern circa angenehm kurze zehn Minuten.

Nur die Uraufführung des Abends, nach der Pause, genehmigt sich deren dreißig.

Wenn das hörenswerte Streichquartett Nr. 3 namens Nachtstaub von Mayako Kubo die Rundschau des Fragilen vervollständigt, so tut es das mit leichtfertigem Scherzo-Aktivismus und fast humoristischer Gestik. Dazwischen schieben sich geheimniskrämerische Glissandi. Nachtstaub wirkt auf heitere Art konzentriert und bezieht seine Faszination mehr aus episodischer Weite denn aus formaler Straffung.

Das sehr gute Kubus Quartett spielt detailversessen und nuancenreich.

Gehört im Livestream.

Wie immer bei Unerhörte Musik höre ich ein gut durchdachtes Programm, das weniger Bestätigung des Schon-Gewussten ist als Erweiterung ins Unwissende.