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Über 70 ist der Geiger Pinchas Zukerman.

Wenn Zukerman Unter den Linden das Violinkonzert des Briten Edward Elgar spielt, dann ist der Unterschied zur jüngeren Geigengeneration schon mit dem Einsetzen des so elgarisch weitläufigen, freundlich gelösten Themas in der Solostimme mit Händen und Ohren greifbar. Zukermans Klang ist voll. Dunkel singend, insistierend und elegisch zugleich der Ton. Gelassen tönt das Portamento. Zukerman klingt plötzlich wie von einem anderen Stern. Weit weg ist da die mathematische Klarheit der Damen Hahn und Fischer, das gewollt Rabiate bei Kopatschinskaja oder das Auktoriale bei Zimmermann. 

Ungelenk ist Zukermans Gang, wenn er das Podium betritt, zurückhaltend ist sein Auftreten. Brille und Bäuchlein verbreiten professorale Aura. Technisch spielen Jüngere die virtuosen Passagen sauberer. Selbstgefälliges Exponieren liegt Zukerman fern. Die Attitüde ist ernst. Zukerman dient dem Werk.

Den verschlungen polyphonen Wegen, die Elgars Konzert einschlägt, folgt Zukerman gerne. Er gestaltet, wo’s lyrisch hergeht, innig, doch ohne übertriebene Süße, ist sachlich konzentriert und dabei achtet er penibel auf Architektur und Phrasierung. Für den typischen Elgar-Ton eines unverbesserlichen symphonischen Optimismus findet Zukerman Strenge und Konsequenz. 

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Für den Zuhörer ist das Elgarkonzert immer noch eine Herausforderung. Die Formanlage will erst einmal nachvollzogen, die dickichthaften Stimmverschlingungen wollen erst einmal durchhört werden.

Genau darauf kommt es Zukerman auch an: auf lyrische Dichte, auf zuhörendes Zusammenspiel. Sein dunkler Ton schmiegt sich anspielungsreich-vieldeutig in die spätromantisch elastischen Texturen, die die Staatskapelle ausbreitet. Die ausführliche Orchesterexposition des ersten Satzes mag schon zur Uraufführung 1910 (durch Kreisler) antiquiert gewirkt haben.

Wahr ist, dass die Staatskapelle unter Lahav Shani einige der eleganteren Aspekte der Partitur unter den Elgar-Teppich kehrt. Doch sorgt sie für einen kontinuierlichen Klangstrom mit emphatischen Höhepunktinseln und ist Zukerman ein verlässlicher Partner. Mir ist das Tempo einen Ticken zu langsam, weniger was den Solisten, der macht das bravourös, als vielmehr was das Orchester angeht.

Die kleine, aber feine Elgar-Beschäftigung der Staatskapelle ist damit schon wieder vorbei. Doch die Ernte war befriedigend: die Tondichtung Falstaff, die Sea-Pictures-Lieder, jetzt das Violinkonzert.

Den zweiten Konzertteil, die Bilder einer Ausstellung von Mussorgsky, sparte ich mir.