Dialektisches Tosca-Pech Unter den Linden: Joseph Calleja ist nicht bei Stimme. Der Tenor markiert die Höhen nur, und wenn er im Duett des dritten Akts das Unisono Trionfal, di nova speme voll aussingt, so staubt es im Großen Saal wie Rostbruch. Mitte und Tiefe füllen dennoch mühelos den Saal. Die Stimme hat sogar mehr Charme und Seele. Vor zweieinhalb Wochen sang sich Calleja unsensibel muskulös, ja lustlos durch Puccinis römische Künstlertragödie. Heute wird in der Not der Indisposition gefühlvoll phrasiert, der tenorale Messingglanz zu reifer Bronze abgeblendet.
Repušić markiert am Pult köstlichen Streicherklang. Das Dirigat ist sehr gut. Die Staatskapelle gestaltet Drama ohne Showeffekte und (in den Genreszenen, Mesner im 1., Hirte im 3. Akt) blühendes Detail ohne Fin-de-siècle-Nepp. Freilich überzeugt der wie ein gefallener Engel lächelnde Ambrogio Maestri im Porträt des ersten Polizisten Roms: aufregend Maestris Eleganz des Bösen, fast noch packender die kalkulierte Gemütlichkeit des Verhörstrategen.
Der Mann aus Pavia kann das ohne vokales Überagieren. Mega gelingt auch die sparsame, mit Bosheit vergiftete Gestik, und imposant ist die Durchschlagskraft der Stimme im Te aeternum Patrem zum ersten Aktschluss.
Vor zwei Wochen hörte ich als Ersatz für die erkrankte Kurzak die als Tosca unbedeutende Jennifer Rowley – eine weitere durchschnittliche US-Amerikanerin, die unbekannte Wettbewerbe gewonnen hat? Heute hat Sonya Yoncheva, was eine Tosca zu haben hat: Stimme, Temperament, Feuer, Höhe, Affekt, Spiel. Das Vibrato energisch, nie zu groß. Die Stimme markant, nie grell. Die Farbe voll, der Ausdruck tragisch. Eine Tosca ohne Toscaitis. Vissi d’arte verbindet Kontrolle und Ausdruck. Jeder Atemzug ist Melodie. Nie wurde mehr Operndrama komponiert wie in den paar Sekunden von Odi tu ancora? Parla! über Muori dannato! zu È morto! Or gli perdono! Yoncheva hat das Pathos dafür. Ist Gheorghius Tosca eine heiße Katze, so ist die von Yoncheva eine stolze Löwin.
Der Mesner von Hamel macht natürlich Martiník nicht vergessen, doch die comprimarii sind allesamt gut besetzt.
Schlatz sagte:
Die BerlPhil sind auch lustig: „Hier entsteht gerade eine neue Website„. Bin froh, dass ich keine Karte für Barenboim, für den jetzt Harding einspringt, hatte. Man konnte mit diesem Ausfall fast rechnen, zumal mit der an die beiden Konzerte in der Philharmonie angehängten Reise, und ohne Konzertreise wäre Barenboim vielleicht doch angetreten. Und ich bin froh, dass ich im Dezember Karten hatte und Barenboim und Argerich dann nicht abgesagt hatten. Ich wiederhole mich, aber: …. Herr Barenboim, es wäre ein Traum, wenn Sie die Staatskapelle noch einmal leiten würden.
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Schlatz sagte:
OK, jetzt ist die Saison online.
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Schlatz sagte:
Philharmonikersaison: Wahnsinn, Busonis Klavierkonzert kommt schon wieder nach Berlin! Rihm ist immer toll. Barenboim noch mal mit Argerich. Nur eine Beethovensinfonie, dafür tonnenweise Bruckner. Muss man die 7. unbedingt auch mit Janowski und die 8. mit Nelsons hören? Und dann auch noch die 9.? Shani mit Prokofjew und Weilerstein plus Schönberg :-) wobei da bin ich vermutlich, da wo die Zillertaler Schürzenjäger herkommen (Ohne Musig geht nix, Treff’ ma uns in der Mitt’n). Schön dagegen, dass mal 1. und 2. Bruckner kommen (da muss ich die Partituren noch kaufen). Das einzige Mozartkonzert mit dem stets etwas langweiligen Andsnes. Silvesterkonzert Brahms‘ Zweites mit Trifonow – weniger champagnerfeines Prickeln an Silvester geht kaum. Petrenko mit Elgar und Leminkäinen ist gigantesco. Und die 245. Berliner Saison ohne Hilary Hahn.
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Schlatz sagte:
Und das DSO ist auch ready. Kopatschinskaja mit Bartók 2 und Mendelssohn 3.!! Mist, Ticciati mit Elgar und Sibelius am 3.10., dem Tag für die traditionellerweise wichtigste Linden-Premiere. Auch etwas viel Bruckner, aber Fünfte mit Heras-Casado ist vielversprechend. Eroica mit Ticciati. Kavakos als Dirigent? Aber immerhin mit KV595. Dann auch noch KV271 mit Pires. Schade, Faust mit 2. Schostakowitschkonzert, das mich gerade nicht interessiert. Erfreulich viel Mendelssohn. Debütkonzert mit Bratschenkonzert Hillborg und Strauss‘ Burleske. Da geh ich hin :-) Liebe Orchestermanager, Chin und Saariaho wird z.Z. womöglich etwas zu viel gespielt, und es gibt interessante und nicht ganz so interessante Stücke von den beiden. RSB-Kommentar dann morgen.
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Wolfgang Eck sagte:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/ausstellung-zu-giacomo-puccini-in-berlin-19669187.html
Klar, leben darf man nicht, Geld verdienen auch nicht, erst, wenn man tot ist, so wie Puccini, dann wird man interessant. Deutsche Presse.
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Wolfgang Eck sagte:
Ich hab mal das Debut vom Calleja an der Met gesehn, als Duca im Rigoletto. Der versuchte die ganze Zeit, zu klingen wie Pavarotti, man merkte fast die Anstrengung. Zum Glück hat er danach die Kurve noch gekriegt und klingt jetzt wie er selbst.
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Wolfgang Eck sagte:
Auch nicht ohne Stimmkrise, fast selbstverständlich.
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Wolfgang Eck sagte:
Noch ’ne Frage : hat der dicke Ambrogio sie wirklich von hinten, und hat sie das mit sich machen lassen, na Sie wissen schon..?
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Schlatz sagte:
Ja, aber Yoncheva hat es so kurz wie möglich gehalten, den Rock gehoben, dann kam auch schon das Messer. Dafür hat Yoncheva Maestri zuvor quasi vorbereitend ausgiebig über Schulter und Arm gestrichen, und der Hieb in Maestris Bauch schließlich war aller Ehren wert: zack, mitten rein. Der Messerstich von Jennifer Rowley zwei Wochen vorher war derart zaghaft, dass ein realer Scarpia diese Tosca wutentbrannt an die Wand geklatscht hätte.
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Wolfgang Eck sagte:
Echt jetzt? Yoncheva ist eine wirklich gute Tosca? Nun ja, Sängerinnen können sich entwickeln. Mir wär’s lieber, sie hätte mehr Traviata and the like gesungen, denn da war sie unübertrefflich. Seitdem sie das schwere Zeug singt, hat die Stimme etwas an Geläufigkeit verloren, leider.
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