Die Spectrum Concerts widmen ihren ersten Auftritt im neuen Jahrzehnt Werken von den Repertoirerändern. Das Konzert ist mit vier Neben- und Hauptwerken, mit Früh- und Spätwerken von Großen und ganz Großen bestückt, schlägt einen Radius von der Protomoderne des Engländers Elgar bis zur klugen Spätmoderne des Polen Panufnik.

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Eine gediegenere Werkauswahl scheint kaum möglich. 22 Musiker ist das Spectrum-Ensemble heute Abend stark – junge Talente sind in Vielzahl dabei.

Los geht’s im Kammermusiksaal mit Elgars Streicherserenade von 1892, diesem zarten Nichts, in dem sich die Melodien frühwerkselig verschleiern, um umso transparenter zu leuchten. Die Musiker lassen Stimmen und Linien flexibel fließen. Raffiniert die Stimmverschränkungen im Larghetto. Feinsinnig, aber auch elegant tönt das. Gespielt wird im atmenden Miteinander, phrasiert wird buttrig weich. Erstaunlich das plötzliche Ende des 3. Satzes.

Abrupt der Wechsel zum Concerto funebre von Karl Amadeus Hartmann, komponiert 1939, mithin Zeugnis düsterer Zeiten. Das Werk pendelt zwischen scheuem Rezitativ und mühevoll sich lösendem Singen, was der Geiger Boris Brovtsyn fesselnd umsetzt. Für das Allegro di molto hat Brovtsyn Grimm und lakonische Virtuosität, für die E-Saiten-Kantilene (sehr ausdrucksvoll) des Chorals Ausdruck und Klang. Auch hier sind die Spectrum-Musiker subtile Interpreten.

Nach der Pause das hörenswerte Violinkonzert von Andrzej Panufnik. Eindrucksvoll ist die einfache Faktur. In den Wechseln von Solo und Tutti ist das Konzert ein Nachzügler des Neoklassizismus und weist gleichzeitig auf das letzte Stück des Abends, Bartoks Divertimento. Boris Brovtsyn in Slippern und blauen Strümpfen – stummer Protest gegen die stilistischen Extravaganzen der Grandes Dames Mutter und Batiashvili? – bringt einen dunklen, haptisch kompakten, dynamisch wandlungsfähigen, in der Höhe inwendig strahlenden Ton ein. Sein Spiel ist in hohem Grade ensembleaffin. Schließt der erste Satz des 1971 komponierten Werks mit einer nach innen gewendeten Kadenz, so breitet das Adagio sein Material so umfassend aus, dass nicht mehr von einem Thema zu sprechen ist. Resolut das Finale, dass die 22 mit Verve und Gusto und Brovtsyn mit federnd trennscharfem, plastischem Zugriff spielen. Lustig die kleintierhaft wuseligen Pizzicato-Passagen zwischen den Solorezitativen der Geige.

Anschließend also von Bartók das Divertimento von 1939, komponiert wenige Monate vor Hartmanns Concerto. Das Stück ist große, exakte Musik. Akkordrepetitionen des Beginns und Schärfe der Tuttiblöcke hört man von den Hausherren im Großen Saal der Philharmonie trennschärfer. Dafür erlauscht man im Kammermusiksaal beim Spectrum-Kollektiv eine Vielzahl individueller Timbres, die sich zu einem wunderbar dynamischen, faszinierend geschichteten Klang fügen. Wie bei Panufnik sind im zweiten Satz kaum Themen auszumachen.


Weitere Besprechung: in Kürze auf Hundert11.