Ich äußere keine Kritik an der wunderlichen, sorgfältigen, bühnenun- und mäßig podiumstauglichen Vormärz-Komposition. Es lohnt, deren charakteristische Kennzeichen zu nennen.
Der Schumannsche Ton herrscht: Schumanns milde Glut, der allgegenwärtige subjektive Ausdruck. Die Fanfaren (Trompeten, Tarkövi) wirken neben den zeitgleichen Bombasto-Fanfaren des Lohengrin wie blasse allegorische Gestalten. Weiter: Es ist da diese sinfonische Dichte, deren Spannungen sich nicht in glücklich gefundenen thematischen Schlagzeilen lösen.
Zuerst die Solisten.
Dorothea Röschmann nahm das Gretchen mit körperhafter Stimme in Besitz und stattete es mit vibrierender Glut, expansiver Phrasierung und leuchtender Höhe aus. Der Statur nach nicht mehr ganz 15-jähriger Teenager, zwitschert, lockt, jubelt und leidet Röschmann für zwei.
Christian Gerhaher singt den Faust heimelig-hellwach. Das helle Timbre steckt voller liedhafter Milde. Eine Spezialität Gerhahers scheinen die raffiniert mit Deklamation und Empfindung angereicherten Affektgesten zu sein, die schön gezogenen Linien, die betörend ausgesungen und mit sanft verhaltener Empfindung gesungen werden. Bisweilen bewegt sich Gerhaher nahe am Sprechgesang. Aber keine Angst, er will’s genauo so.
Andrew Staples singt Ariel und Pater ecstaticus mit sorgfältiger Linie und neutraler Farbe. Anna Prohaska gibt der Sorge die Präsenz ihres aparten Soprans, wobei mir vibratolose Spitzen, angeschliffene Sprünge auffallen. Franz-Josef Selig nobel und lebendig.
Oh Gott, Schumann. Warum diese Kinderchöre?
Wie steht es nun mit Harding? Daniel Harding strafft Abläufe, lichtet den Orchesterklang, ohne den ausdrucksvollen Ensembleszenen ihr klangliches Gewicht zu nehmen. Das Vorspiel – stellvertretend genannt – ist lebhaft bewegt und präzis im Detail. Hardings Augenmerk gilt den nervösen Elementen. Aber er lässt die Geigen glühen. Ein sehr guter Abend des Orchesters.
Einiges bildet den Wagner der 50er Jahre vor: Die Neigung zu ausgedehnter Mauerschau. Die Szene Sorge – Faust greift in Ton und Konstellation vor auf die Todesverkündigung.
Licht und Schatten.
Die Faust-Szenen sind bildungsbürgerliche Schwerstarbeit. Im öffentlichen Raum wie es die Philharmonie ist fällt es schwer über die Peinlichkeiten hinwegzuhören. Was murmelst du? von Gerhaher gesungen fällt mir spontan ein.
Das ist die perfekte Musik um sie zuhause mit einem sehr guten Kopfhörer durchzuhören.
Konnte man ja am Samstag auf RBB tun.
Gerhaher top, Röschmann top.
Ich war am Sonntag im Konzert.
Harding mausert sich. Der Brite machte sehr effektive Arbeit.
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Schönes Konzert, ja. Es muss nicht immer B., B. & B. sein.
Was mich gestern störte, war die Kartenkontrolle vor Betreten des Saales. Ich verstehe ja, dass man vermeiden will, dass sich nicht zahlende Elemente in den Saal einschleichen (räusper) aber… Meine Frau und ich mussten den ganzen Weg von G rechts ins Erdgeschoss um die Karten vorzuzeigen. Das hätte man unten schon kommunizieren müssen.
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