Bayreuther Götterdämmerung, BR, Live-Übertragung.

Meine Schwiegermutter heißt Kriemhilde. Sie wohnt in der Richard-Wagner-Straße. Ich habe quasi gute natürliche Voraussetzungen für das Verständnis der Götterdämmerung. Schade aber, dass sie weder in Bayreuth noch in Triebschen wohnt. Ich muss noch mal mit ihr reden.

Es besteht kein Zweifel, dass Lance Ryan kein sehr guter Siegfried ist. Dazu gibt es zu viele meckernde E’s. Dazu siegfriedelt Lance Ryans Stimme zu wenig. Sie beckmesserlt eher. Enttäuschend sind die vollkommen spannungslosen Töne. Siehe auch: Lance Ryan im Herbst 2012 in Berlin. Optisch ist der 2013er-Siegfried ein fotogener Augenschmaus in Lederkluft.
Alejandro Marco-Buhrmester (Gunther) bringt soignierte Männersangesleistung. Gunther ist auch nett zum Angucken.
Martin Winkler (Alberich) hält das Niveau, das er an den vorangegangenen Abenden zeigte.


Attila Jun (Hagen): Die schallkräftige Stimme klingt überanstrengt. Dazu kommen stark emphatische Wortbetonungen, die im generellen Fall nicht schlimm sind, in diesem besonderen aber doch.
Catherine Foster (Brünnhilde): Auch heute Abend überzeugt sie mich nicht. Kaum sind die Vokale in „Schweiget eures Jammers“ zu unterscheiden. Catherine Fosters leichter Sopran besitzt heute Abend die Souveränität eines Drittligisten, der gegen Bayern spielt. Falsche Töne. Naja, das passiert jedem. Ihren Phrasierungen fehlt Atem. Ihr Vibrato ist wenig erregend. „Die Sonne lauter“ hat keine Kraft.
Allison Oakes (Gutrune):  Jaaa, OK. OK. OK. Soso. Probleme mit der Höhe („Siegfried erschlagen“). Aber was für ein kesser Pony. Für sich genommen, hatte sie schöne Momente.
Claudia Mahnke (Waltraute): gefällt mir immer noch sehr gut.
Die drei Nornen: Okka von der Damerau, Claudia Mahnke, Christiane Kohl. Frau Damerau hörte ich in der gleichen Rolle in Berlin. Die Rheintöchter: Mirella Hagen, Julia Rutigliano, Okka von der Damerau.

Castorf macht immer das, an was Wagner nicht dachte. Sagt Wagner Muh, sagt Castorf Mäh. Sagt Wagner Hojoto, meint Castorf „Dit interessiert mich aber jetzt nich so richtig“. Diese Methode erregt Missfallen. Doch es ist eine Methode.

Den Kirill Petrenko der Walküre fand ich zu proaktiv. Den Kirill Petrenko der Götterdämmerung finde ich trostverheißend. Die Streicher klingen, als ob die Musiker im Graben strahlen würden. Ein freistehendes Bass-Pizzicato hat sorgfältige Wärme. Den Todesmarsch hatte Barenboim um Lichtjahre besser raus. Da verzögert Petrenko beim Todesmotiv die zweite der einleitenden Zweitongruppen, nämlich die aus einem Sechzehntel und einem Achtel bestehende. Das Schwertmotiv der Trompeten dann banal strahlend, ebenso das Siegfriedmotiv der Trompeten. Auch das Heldenmotiv besitzt kein Gewicht, lärmt. Der ganze Trauermarsch, nee, gar nichts. Weitere Dinge, die mir nicht gefielen: Das hektische Welteschemotiv vor „Wie die Sonne heiter“.

Aber die Bayreuther Götterdämmerung 2013 besitzt Bögen, Energie, Liebe zum Detail, singenden Atem. Vielleicht ohne den ganz großen Sinn für Verklammerung.

Lance Ryan empfängt Buhs. Catherine Foster bekommt Bravos. Laute Bravos für Kirill Petrenko.

Ich brauche nicht zu sagen, dass das Produktionsteam unfreundlich vom Publikum empfangen wird. Eine Dame versucht entgegenzuhalten, indem sie mit schriller Stimme bayrisch eingefärbte Bravos abfeuert. Frank Castorf steht rührungslos vorm Vorhang, als wollte er sagen: „Am Ende weiß ichs doch besser“. Die Buhs, die auf ihn niederregnen, besitzen die Ausdauer eines westfälischen Landregens. Ich hoffe, keiner der Buhrufenden ist in Ohnmacht gefallen.

Feister Applaus für 119 Orchestermusiker.

Eleonore Büning im Anschluss zu Ryan und Foster: „Ich habe beide schon besser gehört“. Zu Castorf: „Ich habe mich bis jetzt keine einzige Sekunde gelangweilt. Aber ich habe mich auch sehr stark geärgert“.

Wolfram Görtz: „General-Etüde über Farben, Öle, Lacken“.

So. Danke Bayreuth für die nette Unterhaltung. In 3 Wochen werden die Berliner Philharmoniker allmählich wieder aktiv. Dann sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.