Selbst der Sommer schwitzt.

3sat, zeitversetzt aus Salzburg. In Salzburg 33°C um 20 Uhr.

Vorspiel 1. Akt. Die Wiener Philharmoniker schrammeln wie verliebte Hans Sachse. Es schimmert.

Stefan Herheim inszeniert. Sachs kleidet sich à la 1865. Evchen trägt Frisur à la 1865. Oder nicht eher 1850? Mit Ausnahme der Schusterstubenszene im 3. Akt agieren die Personen als Lilliputfiguren in einer übergroßen Meisterwerkstatt. Nicht schlecht, finde ich. Der dritte Akt lässt den Figuren souverän Raum.

Es dominieren die wortbetonenden und wortgenauen Sänger: Michael Volle und Georg Zeppenfeld gehören dazu, auch Markus Weber. Michael Volle ist ein deklamierender Bariton. Er singt präsent, hell, subtil deklamierend, wissend rhetorisch. Kernige Mittellage. Das „Jerum“ ist geprägt von anarchischer, unkantabler Deklamationsenergie. Liedhaft und unprätentiös genau: „Doch wenn mich der im Himmel hält“. „Wie duftet doch der Flieder“: feinkörniges Piano, fast Parlando bei „Dem Vogel, der heute sang“. Und das Ganze ohne stereotype vokale Gesten. Die ausladenden Paradestellen singt Volle ausdrucksbewusst, doch ohne Belcanto, eben mit der markigen Holzigkeit, die ihn auszeichnet. Prachtvoll Volle im Schlafanzug. Prachtvoll auf der Festwiese als von der Akklamation Heimgesuchter. Herheim lässt Sachs bei den Schlussakkorden sich als luftfuchtelnd dirigierenden Pyjamahelden wiederfinden.

Meistersinger Salzburg // Foto: Forster / salzburgerfestspiele.at
Sachs (Michael Volle) am Boden, von Beckmesser (Markus Werba) attackiert // Foto: Forster / salzburgerfestspiele.at

Eva (Anna Gabler) leidet eifrig. Jede Regung spiegelt sich auf ihrem Gesicht wieder, ob sie singt oder nicht. Sie ist auf eine schön anzusehende, biedere Weise kokett, über ihrem Gesicht thront ein hübsches Haartürmchen (siehe Foto Nr. 3). Es gibt etwas fehlende Feinheit in „Ich hätt euch für feiner gehalten“, das hart an der Grenze zum Sprechen ist. Einiges ist ungenügend: Den Farben fehlt ein Etwas an Fantasie, der Höhe Sicherheit, die Phrasierung ist nicht ganz subtil. Aber dennoch voll zufriedenstellend – angenehm scharf und klar, im „Selig“.
Monika Bohinec ist eine lebhafte, mädelig-reife Magdalene, die mit einem Ungetüm von Blumenkranz auf dem Kopf ganz appetitlich aussieht.

Das Vorspiel zum 3. Akt aus Streichern und Blech spinnen die Wiener Philharmoniker aus und beschweren es mit Traum und heftiger Sanftheit.

Roberto Saccà ist im 1. Akt ein in tressenbehangenem Förstergrün gekleideter, im 3. ein in Lohengrinweiß strahlender Walther von Stolzing. Das Preislied klingt wenig duftig. Die Jugendlichkeit fehlt aufgrund unflexiblen Metalls.
Veit Pogner ist Georg Zeppenfeld.

Anna Gabler im Brautornat // Foto: Forster/ salzburgerfestspiele.at
Anna Gabler im Brautornat und mit Haartürmchen: guckt komisch // Foto: Forster/ salzburgerfestspiele.at

Markus Werba ist ein Sixtus Beckmesser, der durch eine energische, klare, männliche Stimme erfreut. Er spielt gut. Er macht den Beckmesser in der Szene mit Sachs im 3. Akt zu einer beeindruckenden Figur. Die Keilerei ist von Figuren bevölkert, die in einen Sommernachtstraum von Gosch passten.
Peter Sonn singt einen sicheren David, der nicht mehr ganz bengelhaft jung ist und nur ein bissl lyrisch. Mann kann ihm schier ewig zuhören.

Eine sehr gute Inszenierung von Stefan Herheim, dessen Lohengrin an der Staatsoper schon ein supercool gedrehtes Riesending war. In Salzburg was Ähnliches: genaue Personenführung, dezente Metaebene (Dichter & Komponist Sachs im Vorspiel), befriedigende Optik. Staatsoper Berlin meine ich natürlich.

Daniele Gatti lässt die Wiener Philharmoniker spielen. Ich höre Klangfühligkeit in Reinkultur. Festspieladäquat.

Bravos für alle, besonders für Michael Voll und Markus Werba. Auch Stefan Herheim darf sich über Zustimmung freuen.