Mein Mitgefühl gilt den vor Ort Anwesenden. Google sagt: Bayreuth Temperatur = 37°C.

Der erste Akt ist langweilig. Jemand erklärte mir einmal, Botha sei der beste Wagnertenor. Johan Botha singt einen harmloseren Siegmund als Peter Seiffert beim Barenoim-Ring in diesem Frühjahr. Bothas Vibrato zerteilt Phrasen, ich höre Anflüge von Lispeln („wie du liebst, dass ich heizszszse“), die unidiomatische Behandlung der Vokale zerteilt Phrasen. Ich glaube es liegt an Bothas E’s. Botha klingt so ein bissl naturburschig („musste ich mich Wehwelt nennen“). Oder ist es wehleidig? Mache ich die Augen zu, zaubert meine Vorstellung eine Lederhose an Bothas Beine. Natürlich waren die Wälserufe mitreißend (9 Sekunden der zweite). Möglich, dass mir missfällt, dass Bothas Siegmund sich zu mühelos anhört. Anja Kampe beginnt unbestimmt (manieriertes „Des seimigen Metes…“ – solche Sätze sollten nicht in Musik gesetzt werden) und lässt als liebende Sieglinde ihren Sopran lodern.

Franz-Josef Selig (Hunding): sehr schön, doch nicht sehr schwarz.
Wolfgang Koch (Wotan): Hmmmmmhmmmm. Herr Koch macht mir am heutigen Freitag mehr Freude als gestern, aber nur ein bisschen. Wotans „Als junger Liebe Lust mir verblich“ ist eine Geduldsprobe für Wagnerianer, die auf vaterländischen Belcanto stehen. Anderes gefällt, so die kernige Deklamation. Auch die jungmännerhafte Rolleninterpretation zählt zu den Positiva.

Der 2. Akt spielt vor einem Ungetüm von Holzkonstruktion, vor das die Bühnenbildnerin Strohballen postiert hat.

Catherine Foster (Brünnhilde): Ich habe Frau Foster als Einspringerin letzten Herbst an der Staatsoper Berlin als Brünnhilde gehört. Sie hat mich damals nicht überzeugt. Heute ist der Eindruck noch schlechter. Ich fürchte, diese Brünnhilde fliegt vom Pferd, sobald Grane sich mit der Hinterhufe kratzt.
Claudia Mahnke (Fricka): Im Rheingold noch goldig und lieblich, zankt sie heute. Das ist der Lauf der Welt. Es gibt Frickas, die zanken zickiger. Und es gibt Frickas, die zanken klangüppiger. Doch die Fricka Claudia Mahnkes lässt abgebrühte Wagnerianer ahnen, wie viel Gattenliebe in Fricka noch steckt.

Das Walkürenrudel setzt sich wie folgt zusammen: Nadine Weissmann (Schwertleite), Dara Hobbs (Ortlinde), Christiane Kohl (Helmwige), Julia Rutigliano (Siegrune), Claudia Mahnke (Waltraute), Geneviève King (Grimgerde), Allison Oakes (Gerhilde), Alexandra Petersamer (Rossweisse).

Am Pult steht wieder Kirill Petrenko. Gestern war ich sehr angetan von Petrenkos Aktionismus. Heute scheint mir die fortgesetzte Klangüppigkeit ein paar Grade zu fidel. Meine Ohren sind nicht geschaffen für pausbäckiges Blech. Für Entsagungsmotive im Blech, die aufgehen wie ein gut gekneteter Hefezopf.

1. Akt 1:02 Std. Fetter Jubel für die Sängerdarsteller.

Das meint Frank Castorf zu Wagner: Ick find jut, „dass er eine fröhliche Anarchie hat“. Ick mag „das Paradoxale in der Musik und im Text“. Et is“ das Schönste, dass ich endlich mal siebzehn Stunden inszenieren darf“.

Amen.