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Zuerst dachte ich, Barenboim hat Guy Cassiers nach Berlin geschleppt. Inzwischen glaube ich, dass Flimm schuld ist.
Personenführung? Nicht mit mir, sagt Cassiers. Neue Ideen? Cassiers verwahrt sich auf das Schärfste gegen diese Unterstellung.
Das im Ganzen exzellente Ensemble offenbarte im Einzelnen unterschiedliche Gesangsleistungen.
René Pape: Eindrucksvoll im dritten Akt, vor dem er wegen leichter Erkrankung um Nachsicht bitten ließ. Lyrisch-elegisch verschattet, wunderbar tragendes oberes Register, auch in der Expansion. Nobelstes Legato, eine Lehrstunde wagnerischen Cantabile-Stils. Klaro, René Pape ist ein Wunder an Textverständlichkeit. Im 2. Akt eine leichte Enttäuschung, trotz des fulminanten Einstiegs („Nun zäume dein Ross“). Papes Wotan fehlen im 2. Akt Temperament, Autorität und Metall in der Stimme. Ein sensibler, sehr jung klingender, melancholischer Wotan. Aber „Als junger Liebe Lust mir verblich“ klingt wohl doch nicht mit „schauerlicher“ (O-Ton Wagner) Stimme. Mir missfällt, dass René Pape im 2. Akt die Silben nicht voll aussingt und immer dasteht wie ein gedankenvoller Gymnasiast in einer Schul-Aufführung von Schillers Don Carlos. Oder ist das Ihre Schuld, Herr Cassiers?
Peter Seiffert: Seifferts Siegmund ist mit den Gefühlen eines zweitklassigen Elektrikers und der Stimme eines erstklassigen Heldentenors ausgestattet – eine außergewöhnliche Kombination. Allerdings eines Elektrikers mit bewundernswerter Höhensicherheit. Der zweite der Wälserufe dauert 9 Sekunden. „Winterstürme“ in einer nicht ganz geglückten Mischung aus Beiläufigkeit zu Beginn und Hemdsärmeligkeit am Ende. Hervorragendes, klanglich voll begfriedigendes „So blühe denn, Wälsungen-Blut“ und berührende Todesverkündigung.
Waltraud Meier: der Mittelpunkt der Aufführung. Ihr Auftauchen im 2. Akt führt dazu, dass diese Inszenierung für ein paar Minuten eine fesselnde Personendarstellung besitzt. Im 1. Akt fesselnd ab „Du bist der Lenz“, genauer gesagt ab dem F in „als dein Blick„. Sie hat immer noch die sehrende, durchdringende Intensität der Höhepunkt-A’s. Dann folgt viel Erstklassiges: die scheue Glückseligkeit der Stellen um „aus Aug‘ und Antlitz bricht“ oder das von der Welle der Empfindung mitgerissene „schon wollt‘ ich beim Namen ihn nennen“. Wenn ich richtig liege, ist Waltraud Meier ca. 56 Jahre alt (dies ist ein galantes „circa“, kein schnoddriges). Alles, was überm A im System ist klingt, vieles, was darunter ist, nicht.
Mikhail Petrenko: das Scheusal in Person. Rau und herzlich.
Catherine Foster: Als Einspringerin für die heute Abend nicht zur Verfügung stehende Iréne Theorin OK. Schöne flutende laute Töne, aber wildes Walkürenblut fließt nicht durch ihre Adern. Wo dramatische Entfaltung gefordert ist (Szene Wotan – Brünnhilde 3. Akt), gibt es Luft nach oben. Catherine Foster wird eventuell eine gute Brünnhilde. Sie ist es noch nicht. Holpriges Messa di voce. Evelyn Herlitzius war im Mai unter Rattle ein anderes Kaliberchen. Die Artikulation ist bei den meisten Walküren (Susan Foster, Sonja Mühleck, Carola Höhn, Ivonne Fuchs, Simone Schröder, Anaïk Morel, Leann Sandel-Pantaleo, Anna Lapkovskaja) besser. Weiteres Manko: das nicht sehr individuelle Timbre.
Ekaterina Gubanova: Orgelhafte Mezzopracht.
Daniel Barenboim: Vordere Streicher verdeckt, dadurch hervorstechende Holzbläser, auch im Mezzoforte. Der Walkürenritt bestand hauptsächlich aus Bläsern und kam mir vor wie kubistische Bläserserenade. Genial jeweils die Akt-Anfänge. 1:31:20 für den 1. Akt.
Kritik/Review: Heute Abend war für jeden etwas dabei – Peter Seiffert bot heldische Stimmkraft, Waltraud Meier dramatisches Genie, Catherine Foster unbelastetes Sopranmaterial, René Pape Wohllautbalsam, Ekaterina Gobanova dunkelroten Mezzosamt, Mikhail Petrenko Bösewichtsschwärze, Daniel Barenboim deutschen Hochspannungsklang.
Verzeihung, aber was soll eigentlich dieser Einwurf „Wenn ich richtig liege, ist Waltraud Meier ca. 56 Jahre alt (dies ist ein galantes “circa”, kein schnoddriges“? Was heißt eigentlich „galantes circa“? Wollen Sie damit sagen, dass sie eigentlich wie 70 wirkt, Sie aber „galanterweise“ mal 56 sagen – oder wie? Ich verstehe Ihren Kommentar überhaupt nicht. Oder ist es wirklich ein so snobistischer Unsinn wie ich vermute? Und warum ist eigentlich Meiers Alter von Interesse, nicht aber das von Seiffert, zum Beispiel? Dass sie 56 ist, ist kein Geheimnis, sondern überall nachzulesen. Peter Seiffert ist 58. Wenn man beide vorgestern auf der Bühne gehört und gesehen hat – Meiers Dynamik, Seifferts Statik – wundert man sich schon über ihren Kommentar. (Im Parkett, wo ich saß, klangen die Tiefen übrigens gut vernehmbar).
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@hervorstechende Holzbläser- allerdings, fand ich auch. Liegt einerseits an der Akustik des Schillertheaters, andererseits an Barenboims Ästhetik :-)
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Heute (Sonntag) hat Iréne Theorin die Brünnhilde sehr achtbar, mit 1a Hojotoho ;-) aber nur sehr geringen Schärfen gesungen.
Waltraud Meier ist unschlagbar. Klasse fand ich, wie sie wie eine 15-jährigen in die Hände klatscht, als Seiffert (übrigens dank Cassiers Regie auf die langweiligste Art und Weise) das Schwert aus der Esche zieht.
Apropos Cassiers: so eine Regie muss man nehmen wie es kommt. Die Hauptsache ist und bleibt die Musik.
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Letztlich war schon nach dem Rheingold klar, dass das eine gähnend langweilige Ringregie werden würde. Genießen konnte man, wenn man einfach die Augen zumachte. Das war dann zwar das Gegenteil von dem, was Wagner mit seinem Gesamtkunstwerk Musiktheater eigentlich vorhatte, angesichts der sichtbaren Umstände aber immer noch das Beste.
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Really enjoyed the Walkure performance Sunday October 14th.
Sitting on row 8 the voices outbalanced the orchestra in volume: it magnified the beauty in the vocals and in some scene’s revealed its limitations.
My impression the music is reduced to an abstraction of the partiture we know.
It takes this performance to a higher level, compared to for example Barenboim’s Bayreuth DVD recording.
I visited Berlin and Walkure for the music, yes I have seen better staging; however the musical interpretation was magic.
Thank you Daniel and all the artists contributing
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I did not like the scenery, but I liked the singing. Fabulous Staatskapelle, great strings!
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