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Ultraschall Berlin geht ins zweite Pandemie-Jahr. Nach der Online-only-Ausgabe von 2021 offeriert man dem erwartungsfrohen Publikum im Jahr 2022 wieder dreizehn Präsenzkonzerte, die an drei Spielorten gebündelt werden. Flankiert wird das klassische Präsenz-Angebot durch eine dicht gestaffelte Folge von Live- oder Fast-Live-Übertragungen, die von den Festival-Trägern Deutschlandfunk Kultur und RBB passgenau ausgestrahlt werden, oft zu bester Sendezeit.

Los geht Ultraschall Berlin ganz traditionell im Haus des Rundfunks an der Masurenallee, Traditionen zählen auch bei Neuer Musik.
Dort, im gediegenen Ulmenholztrapez des Großen Sendesaals, setzt das Deutsche Symphonie-Orchester die erste Ultraschall-Duftmarke. Auf dem Programm stehen Ammann, Francesconi und Djordjević. Gleich zu Beginn stellt Glut des 1962 geborenen Dieter Ammann (2016) ein vitales, hypertrophes und überaus materialsattes Klangbild in den Saal. Die Partitur fordert u.a. 14 erste Geigen, Harfe, 4 Trompeten. Man spürt, dass das 18-minütige Werk von einem Komponisten-Mastermind gesteuert wird, das weiß, was es kann. Das lärmt perfektionsdurchdrungen und strukturagil. Und so makellos, dass es mich – Kritik hin oder her- unberührt lässt. Ganz anders, nämlich leicht und locker, erspielt sich das Deutsche Symphonie-Orchester das Konzert für zwei Klaviere von Luca Francesconi, geboren 1956 (das Stück heißt auch Macchine in echo). Pianistische Gesten blitzen auf. Sparsam, aber tastenintensiv setzt Francesconi Höhepunkte. Die Struktur bleibt trotz lustiger Echoeffekte flink und durchhörbar. So ergibt sich eine leichtfüßige Komplexität. Überhaupt ist ein gewisser italienischer Charakter herauszuhören, was die rationale Eleganz der Schreibweise angeht. An den Flügeln sitzen die Solisten der Uraufführung 2015, Andreas Grau und Götz Schumacher. Sie spielen so kühn wie möglich und so genau wie nötig.
DSO: Ammann, Francesconi, Djordjević
Quicksilver (Quecksilber, 2016 beim BRSO) von Milica Djordjević wirkt dagegen magisch und unheimlich. Der Zuhörer steht hier einer mikroskopisch gedachten Material- und Dingerkundung gegenüber. Glissandi stehen für die Flüssigkeit des titelgebenden Elements. In Quicksilver erkundet Djordjević quasi für uns das Schwarmverhalten musikalischer Atome. Was beim gelegentlichen Vorab-Hören auf YouTube „nur“ nach, freilich ziemlich guter, orchestraler Feinmalerei klingt, entfaltet live eine räumliche Struktur, eine amorphe Mikrokinetik, die überrascht und einnimmt. Umso besser, dass das DSO die Gelegenheit beim Schopfe packt, seine Rundfunkklangkörpersouveränität demonstriert und unter Jonathan Stockhammer selbstverständlich helltönig und detailwach spielt.
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