Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin widmet sich im Konzerthaus musikalischen Don Quichotterien.
Von denen gibt es mehr, als man denkt, und dass es dabei nicht nur um aberwitzige Toll- und Torheiten geht, sondern mindestens ebenso um Spaß und divertimento, zeigen zu Publikums-Genüge die programmeröffnenden Barockmeister Telemann und Boismortier. Welche sich wunderbar in den quichottigen Spannungsbogen des Abends einfügen, und das auf ihre Art, frech und suitenhaft kurzweilig, oder eben auch mal kastagnettendurchklöppelt.

Von den mélodies Ravels und Iberts – Paul Gay trägt sie mit ironiegewitzter Identifikation vor – strahlen die vier Chansons de Don Quichotte von Ibert apart kolorierten, auch schon filmisch wirkenden Charme aus. Ravels Lieder hingegen (Don Quichotte à Dulcinée) werden umleuchtet von dessen sparsamem Spätstil. Dem selbstbewusst verliebten Ständchen (Chanson romanesque) folgt eine Anrufung der Heiligen, voll von wunderlicher Weltfremdheit (Chanson épique). Das abschließende Trinklied präsentiert einen ungewöhnlich gut gelaunten und angesäuselten Don. Paul Gay, optisch durchaus geeignet, einen kühnen spanischen Ritter vorzustellen, singt souverän. Es gibt übrigens zu Ravel hervorragende französische Aufnahmen von Pierre Mollet, Camille Maurane, Gabriel Bacquier, Gérard Souzay, José van Dam.
Don Quixote nimmt auf der Hitliste Strauss’scher Tondichtungen einen soliden Mittelplatz ein. Hinter den Allzeitlieblingen Don Juan (noch so ein Don) und Till Eulenspiegel, aber eben auch weit vor der ungeniert voyeuristischen Sinfonia Domestica und dem Bildungsreisenresultat Aus Italien. Konstanze von Gutzeit, Solocellistin beim RSB, lässt dem verträumten Hidalgo alle cellistischen Ehren zukommen. Hier narrativ exuberant, da deklamatorisch zartfühlend, stets in touch mit der Extravaganz der ritterlichen Gemütslagen. Und präsent, wandlungsfähig und fest, was den Cello-Ton angeht. Ein Vergnügen.

Gerade die frappierendsten Tonmalereien – die berüchtigtberühmte Hammelherde, der Windstoß während der Waffenwache, das Sausen durch die Lüfte in Variation Nr. 7 – klingen live unendlich geiler als auf allen MP3s, und seien diese auch von Karajan dirigiert. Am schönsten ist immer das rührende Gespräch zwischen Herrn (Cello) und Knappen (Bratsche, Alejandro Regueira Caumel). Das umschließt nämlich zauberfest die ergreifende Fis-Dur-Vision Don Quixotes.
Das Kentern des Venezianischen Nachens mit zugehörigem Prusten und Trockenschütteln – herrlich die sehnenstraffen Pizzicato-Wassertropfen, die das Solo-Cello verspritzt – erinnert thematisch an den in den Fluss gefallenen Hund Dan des Organisten der Kathedrale von Herford aus Elgars nahezu zeitgleich entstandenen Enigmavariationen. Wladimir Jurowski ermuntert herzhaftes Zulangen der Orchestergruppen und -solisten, achtet aber auf stets flexibles Im-Fluss-Bleiben, und das RSB dankt es mit viel Gespür für die Balance zwischen anekdotischer Buntheit und symphonischer Großzügigkeit.
Hausbariton.
LikeLike
Oh Don fatale ! O Don crudel ! Ti maledico
LikeLike