Naja, der Ring von Valentin Schwarz bietet viel Inszenierungs-Banalität. Aber Wagner-Schwamm drüber. Doch auch für die Sänger läuft in der Walküre nicht alles rund.
Ich höre über BR Klassik.
Von Michael Spyres (sieht gut aus in Hose und Hemd, legere Passform) kommt die helle, in der Höhe schöntimbrierte, gut geführte Siegmund-Stimme. Es ist ausnehmend gut gesungen, und wie oft bei Briten + US-Amerikanern wird der Wagnertext krass beflissen wiedergegeben. Die Winterstürme? Etwas blumig interpretiert, mehr ein Stürmchen als ein Sturm. Da köchelt das Wälsungenblut allenfalls.

Und die schwangere Sieglinde? Jennifer Holloway hat zu viel Vibrato, zu viel Mittleren Westen im Text, Mein Auge sah disch schon, man kann gar nicht hinhören, Bayreuth, muss das sein? Das sinnliche Timbre tönt ältlich eingefärbt. Sei so fesch, es ist die unangenehmste Sieglinde seit Jahren.
Ordentlich der Hunding des Witalij Kowaljow. Das raubauzige Ich weiß ein wildes Geschlecht ist immer eine der schönsten Stellen der Walküre. Besser der Wotan von Tomasz Konieczny. Der Pole ist in Bayreuth in guter Form. Er präsentiert einen Wotan voll knurriger Würde. Die Götterrede schallt präsent und suggestiv. Energisch ist die Deklamation, gekonnt der Spannungsaufbau in den großen Monologen, der monochrom metallische Ton indes oft trocken. Eng und angespannt klingen Stellen wie Endloser Grimm. Voll rhetorischer Intensität aber so was wie So nimm meinen Segen, Niblungen-Sohn. Schlussendlich ein schlüssiges Porträt des Herrschers der Lichtalben. Christa Mayer füllt das Fricka-Maß mit einer astreinen Mezzo-Leistung. Beste Deklamation, eine Fricka voll scharfer Plastizität.

Ich gestehe, ich konnte nie viel mit Fosters Brünnhilde anfangen. Catherine Foster singt superbe Spitzentöne, verfügt über beachtliche Energiereserven und ist ungenügend in allem anderen. Auch nach zig Bayreuth-Brünnhilden kann sie keinen ausdrucksvollen Sprechgesang. Fällt an ihrem Deutsch ein eklatantes Unvermögen auf, Wagner mit dramatischem Sinn zu füllen. Plus säuerliche Tiefe, plus enge englische i’s. Schlecht die Todesverkündigung, wo sich Spyres auch nicht mit Ruhm bekleckert. Ganz schlimm War es so schmählich, was ich verbrach.

Die Walküren singen gut. Schwertleite singt Christa Mayer, Helmwige Dorothea Herbert, Siegrune Alexandra Ionis. Marie Henriette Reinhold verkörpert Grimgerde, Noa Beinart Rossweisse. Die Gerhilde Catharine Woodward, die Ortlinde Brit-Tone Müllertz, die Waltraute Margaret Plummer.
Unter Simon Young packt das Festspielorchester die Leidenschaften der Wälsungen in Watte, entrollt den Walkürenritt zu übersichtlich. Aber es hat schöne Stellen zuhauf.
Es gibt hierzu unterschiedliche Meinungen, aber IMHO verzichtet man mit einer Besetzung wie der diesjährigen (Spyres, Holloway, Foster, Kowaljow) von vornherein auf die letzten 20% an Ausdrucksdimension. Eben weil diese Leute tendenziell unbedarftes Deutsch singen. Das ist Wagnergesang für ein internationales Publikum, dem es egal ist, ob ein Sänger mit überall durchhörbarem US- oder UK-Akzent singt. Da sind dann alle Nuancen Standardnuancen und niemanden kümmert es.
Das fühlt sich an, als zwänge man mich, Thomas Mann auf Englisch zu lesen. Dass es auch anders geht, zeigen Leute wie Konieczny, Prudenskaja und viele aus Skandinavien, die mehr draufhaben als globalisierten Wagnersingsprech aus dem Mittleren Westen. Und klar gibt es auch Deutsche, Österreicher, Schweizer, die Wagner ohne allzu viel individuelle Textdeutung singen. Aber wenn ich Mein Auge sah disch schon höre, verabschiede ich mich. Schon klar, man ist mit dieser Meinung in der Minderheit. Andererseits, wo wenn nicht in Bayreuth sollte man bei Wagner aufs Ganze gehen dürfen?
Das ist ja alles nicht neu. Dass die letzten 20% für die Festspiele oft eher unwichtig sind, begann vermutlich Ende der 1960er, als die Britin Gwyneth Jones in Bayreuth fast alles zu singen begann. Jürgen Kesting hat das Problem übrigens – ich bin nur ein Liebhaber, kein Musiker – thematisiert in der „Zwischenbetrachtung“ im 3. Band von „Die großen Sänger“ unter den Überschriften „O Wort, das mir fehlt“ und „Das Problem der Internationalisierung“.
Und nun freu ich mich auf BR Klassik mit Götterdämmerung.
https://www.br-klassik.de/programm/radio/index.html
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So allmählich bin ich btw mit Wotan-Wanderer-Konieczny versöhnt, der mir Unter den Linden vor einem Jahr unter Ph. Jordan überhaupt nicht gefiel und wo er wahrscheinlich auch in nicht ganz so bestechender Form war.
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