Da ist Augustin Hadelich mit Mendelssohn.
Hadlich legt heute seine spielerische Flamboyanz, die man erwartete, ab. Der Ton im Violinkonzert ist bestechend schlank, bestens kultiviert. Keine Unklarheiten. So behält der Deutsch-Amerikaner schönlinig die Kontrolle über die Gefühle. Kommt dies vom Respekt vor Janowski, der mit jedem Zoll die Aura des deutschen Kapellmeisters verkörpert? Phrasierung, Vibrato, Portamenti bei Hadelich sind dezent, und die Vorschläge in den letzten Takten des Andante supersauber. Janowski gibt eine Art Maschinentempo vor. Die Beziehung zwischen Solisten und Orchester scheint aufs Neutrale runtergedimmt. Im Finale chipt Hadelich dann aber Doppelgriffkaskade nach Doppelgriffkaskade vom Griffbrett.
Hi, Philharmoniker. Wie wärs mit einer Reihe unbekannter Violinkonzerte, die Solisten aus dem Orchester, im Kammermusiksaal. Wieniawski, Vieuxtemps, Goldmark, Joachim, Bruch 2.,3., Godard, Hubay, Draeseke, Goetz, Hartmann und so was?
Die Zugabe von Hadelich klingt nach Lousiana Blues Strut, nach den Rodeo-inspirierten Repetitionen im amerikanischen Country-Stil.
Janowski in Fliege und Frack, Hadlich trägt Kittel mit Stehkragen. Von hinten siehts wie der klassische Anzug aus.
Ächzt Berlin unter dem Brucknerzyklus der Philharmoniker? Die Berliner Philharmoniker saugen alle Sinfonien weg wie ein Saugroboter, elf Stück in 12 Monaten, alle Neune plus Nullte plus f-Moll. Die Sinfonie Nr. 7 ist eine der charmanteren Sinfonien, sie lockt mit üblicher Satzfolge, üblichen Satzcharakteren und in den Rahmensätzen mit den üblichen drei Themen. Versteckte Wagner-Anspielungen gibt es auch, so gleich zu Beginn im Allegro auf Tristan, nämlich in den zweiten Geigen. Mit dem Wagnertod-Verweis im Adagio fehlen auch außermusikalische Bezüge nicht. Aber sie sind nicht so pittoresk wie in der 4. („Zwei Wächter blasen vom Turm“, „Jagdgesellschaft“) oder 8. („Deutscher Michel“, „Dreikaiserzusammenkunft“). Außerhalb der Norm steht die Sinfonie Nr. 7 eher hier: Der erste dynamische Höhepunkt lässt bis zur 3. Themengruppe auf sich warten. Ziemlich spooky ist die Fausse Reprise mitten in der Durchführung („die massiv instrumentierte Folge von engen Imitationen invertierter Hauptthemenkerne“, Bo Marschner). Und der Repriseneintritt flutscht unbeachtet vorbei. Man muss aufpassen wie ein Luchs. Tipp: auf das Vier-Ton-Motiv vom Ende des Hauptthemavordersatzes achten, erst in den Flöten, dann in den Geigen, und dann schwebt das Thema ein. Nicht zu vergessen: Im Finale setzt die Reprise mit Thema 2 ein.
Mich packts erst in der Durchführung, wenn die Celli die Umkehrung vom 2. Thema bringen. Es ist alles andere als ein Überwältigungs-Bruckner. Die Temporückungen der allerersten Takte der Sinfonie wirken akkurat, nicht expressiv. Fein säuberlich wird die Coda in zwei Teile geteilt und dann die Schlusskulmination architektonisch-logisch zu Ende gebracht.
Im Adagio offeriert Marek Janowski kontrollierte Weite: Brucknerlandschaft ohne Unendlichkeit. Wenn der Satz erstmalig wieder markant ins Tempo I mündet, ist das heute eine fließende Rückkehr, kein Eintritt ins Unbekannte. Wirken diese riesigen Hauptthemenabschnitte irgendwie addierend, so bleiben auch die sich zu beeindruckenden Höhenzügen aufschwingenden Sextolenfigurationen geheimnislos. Trotz beeindruckender Sorgfalt der Ausführung. Selbst in der Tubenschwermut der Coda, der „Totenklage“ (Gülke), bleibt das Klangbild klar wie Quellwasser.
Es ist ein Konzert, das auf hohem Niveau nicht ganz zufriedenstellt.
Um es mal so zu sagen:
Es war nicht der trockenste, nach Zusammenhang suchende Bruckner, den die Philharmoniker diese Saison gespielt haben…
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So was ist gut. Bericht direkt nach dem Konzert, frisch aus Donaueschingen.
https://www.nmz.de/media/donaueschinger-musiktage-24-simon-steen-andersen-george-lewis-pascale-criton
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Wir warn ja grade in Wien, im Haus der Musik. Das ist u.a. so ein Museum über alle Wiener Komponisten, also auch Schönberg, alle mit eigenen Räumen und mit Musik untermalt. Nur beim Schönberg bleibt alles stumm, stattdessen jede Menge verkopfte Texte an den Wänden. Ja warum denn das bloß??
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Podium für Barenboim/Argerich ist freigeschaltet
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Dass der Janowski noch lebt? Habe nie einen Elektra- Dirigenten erlebt, bei dem der Stab lustvoller und dramatischer aus dem Graben (in Köln) züngelte, als bei ihm.
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