Ein Dvořák-Abend mit der Staatskapelle Berlin zu frühabendlichen 19 Uhr. Dazu eines der drei schönsten romantischen Klavierkonzerte überhaupt.
Lang Lang hält in Saint-Saëns‘ Klavierkonzert Nr. 2 den melodiesatten ersten Satz fern von Impressionismus. Langs pianistische Energie hat eine gewisse Nervosität von Tempo und Linie zur Folge. Was der hinreißenden Klarheit seiner Interpretation eine romantisierende Ebene einzieht, sehr zum Vorteil von Lang Langs Saint-Saëns-Deutung. Sensationell sind die Laut-leise-Abschattierungen – insbesondere beim 2. Thema von Satz 1 (dolce) – bei stupender Klarheit des Passagenspiels. Das knappe Rubato bleibt stets an den Sinn der Phrasierung gebunden. Will sagen, Ausdruck kommt im Untern-Linden-Hier-und-Heute nicht aus Gefühligkeit, sondern aus den Noten.
Der erste Satz – ff-Motto als Entrée und Beschluss, zwei Kadenzen, eine durchführungsähnliche Spielepisode (dolcissimo) – ist einer der größten überhaupt.
Das Scherzo hat einen fidelen Walzer (Brahms wagte so was nur in „Nebenwerken“ wie den Ungarischen Tänzen), der chinesische Pianist treibt die Charakteristik der kurzen Satzteile gewagt ins Profil, das Finale gibt strebsame, zwischen Kontrolle und Pathos klug die Balance haltende und dennoch atemnehmend tastenstürmende Virtuosität.
Laut und beeindruckend dann die Sinfonie Nr. 9 von Dvořák. Manfred Honeck schlägt ein heftiges Tempo, um so die Pompösität der Neunten zu unterlaufen – und erntet dafür Hektik. Wunderschön hitzig strömen die Geigen. An Dvořáks Largo stört doch der Verzicht auf jede Mehrstimmigkeit, grenzwertig auch das dekorative Folkloreamalgam: das berühmte Indianer-Timbre. Das ganz und gar herrliche Scherzo ist Dorftanzvergnügen pur, nur halt symphonisch explodiert. Schöner als das zweite Thema des Scherzos ist das Trio mit seinen irren Holzbläserschnörkeln.
Das berühmte Allegrothema taucht nach dem ersten Satz ein, zwei Mal zu häufig auf. Ist es Zufall, dass Dvořáks Siebte und Achte derzeit häufiger begegnen als dessen theatralische Neunte? Adorno notierte mit einer Mischung aus penetranter Besserwisserei und musikhistorischer Wetterfühligkeit 1926, auf dem Höhepunkt der Neuen Musik, die Sinfonie „sollte man, die Urkraft von 1890 in Ehren, endlich getrost den Kurkapellen überlassen“. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Honecks Tempo aus dem Staatskapellenklang das Optimum rausholt, aber es ist ein Vergnügen, Honeck, der auf jegliches Grimassieren verzichtet, zuzusehen, und die Musiker sehen zufrieden aus.
Dvořáks Ouvertüre Karneval findet Eduard Hanslick im Wien des Jahres 1895 „nicht bedeutend“, aber „echt und liebenswürdig“ und lobt „Freude am schönen Klang“, „melodische Frische, Unmittelbarkeit und Natürlichkeit“. Bis auf „nicht bedeutend“ trifft das alles zu. Der Karneval war nicht ganz gut geprobt.
Wolfgang Eck sagte:
Man kann sich kaum vorstellen, daß er bei dieser Aufnahme in der Dahlemer Christuskirche nicht auch ab und zu den Daniel Barenboim besucht hat, der gleich nebenan wohnt.
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Wolfgang Eck sagte:
So langsam kann man den Lang Lang auch als seriösen Pianisten ernst nehmen, wenn man sich seine Goldberg-Variationen auf Platte anhört. Es klingt alles viel weniger nach Klavierstunde und auf Effekt gebürstet als früher. Echte Tastenlöwen brauchen halt ihre Zeit, bis sie einer werden.
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Schlatz sagte:
Exakt
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Schlatz sagte:
Besetzungsfragen… Warum sang Thomas J. Mayer, der ein imposant subtiler Wotan unter Rattle an der DO war, die Rolle nicht mehr in Berlin? Die SO hat Volle, aber die DO besetzt Wotan mit den (in dieser Rolle) herzlich uninteressanten Paterson und Welton. Mayer singt Wotan in Saarbrücken https://www.staatstheater.saarland/detail/die-walkuere
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Wolfgang Eck sagte:
Weil die Gefühle von Opern-Besetzungsbüros mitunter andre sind als die von Opernliebhabern.
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Schlatz sagte:
Es gibt noch Ringkarten/Linden einzeln für 31€
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Wolfgang Eck sagte:
Götterdämmerung heut‘ abend, au weia
Wenn überhaupt, tu ich mir das Stück nur nochmal in der nächsten Neuinszenierung mit Thielemann an. Nur um zu testen, ob ich zum dritten Mal an derselben Stelle einschlafe oder ob die Musik sich inzwischen verändert hat.
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Wolfgang Eck sagte:
Gut, daß der Lang Lang, ein Star, wie er ist, auch sowas kann :
Barenboim ist mit ihm angeblich unter einen Flügel gekrochen und hat ihm erklärt, wie die Mechanik funktioniert. Das gehört auch dazu.
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Wolfgang Eck sagte:
Nachdem ich mein Clavinova auseinandergenommen und die Tasten renoviert habe, weiß ich jetzt auch, wie da die Töne erzeugt werden :
Es gibt in diesen digitalen Instrumenten, also eigentlich in allen Keyboards, ein doppeltes Graphitband. Ein Band aus zwei parallelen Graphitlinien. Auf das schlagen die Hämmer an, und machen dann einen elektrisch leitenden Kontakt zwischen den beiden. und weil sie etwas schief anschlagen, gibt es einen Zeitunterschied, wie der Kontakt zwischen den beiden geschlossen wird. Und den kann man messen. Mehr ist das nicht. Jedenfalls in meinem Clavinova von vor 30 Jahren.
Ist der Zeitunterschied groß, dann tippt man langsam drauf, also ist der Ton leise. Wenn man hart auf die Taste schlägt, ist der Zeitunterschied klein, dann ist der Ton lauter. Mit allen Zwischentönen. Solange man die Taste hält, bleibt der Kontakt geschlossen, und der Ton bleibt bestehen. Läßt man los, erstirbt der Ton.
Und weil das so ist, so digital, deshalb eignet sich die Musik von Bach ganz besonders für solche Instrumente, denn Bach hatte ja eigentlich auch nur digitale Instrumente, bei denen man höchstens per Kopfdruck oder Registerzug den Klang verändern konnte.
Verändert das meine Art, Bach damit zu spielen ? Nein. Ein moderner Flügel ist was ganz andres und hat viel mehr Nuancen.
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Wolfgang Eck sagte:
Herr Selge, üben Sie das doch mal mit Ihrer Klavierlehrerin, das ist nicht so schwer. Vor allem muß man das als in Noten gesetzte Improvisation verrstehen, nur dann klingt es gut. Jedenfalls, wenn ich es spiele. Da bleibt man locker, und es singt fast von alleine.
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Albrecht Selge sagte:
Jetzt müssen Sie uns aber noch verraten, welche die beiden anderen „der drei schönsten romantischen Klavierkonzerte“ sind. Schumann und Brahms 1?
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Wolfgang Eck sagte:
Er meint, glaube ich : die Zukunft eröffnendsten
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Claudio sagte:
Brahms 2., Tschaikowsky 1.
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Wolfgang Eck sagte:
Chopin 1 und 2
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Schlatz sagte:
Da die Aufnahme vielleicht nicht so bekannt ist: mMn die beste Aufnahme trotz Rubinstein und Gilels ist die von Jeanne-Marie Darré von 1955 mit Fourrestier. Keiner der neuen französischen Interpreten kommt da ran.
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Schlatz sagte:
Entweder verstehe ich hier Göbel oder Saint-Saens oder beide nicht. „Nur braucht diese Musik vor allem Witz und Esprit und ein leichtes Augenzwinkern“. Wo gibt es im Andante auch nur eine Sekunde, die im Entferntesten Witz und Augenzwinkern nahelegt?
https://www.rbb-online.de/rbbkultur/themen/musik/rezensionen/buehne/2024/03/staatsoper-lang-lang.html
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Wolfgang Eck sagte:
Oder Variation Nr. 25 gar nicht erst spielen. Kommt erst in 30 Jahren, wenn ich gar nichts andres mehr zu tun habe.
es könnte ja mal einer versuchen, Variation 25 mit Witz und Esprit zu spielen
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