Ich sitze am Pfingstmontag wieder in der aufregenden Francesca da Rimini.

Jonathan Tetelman bietet wieder kühl passioniertes Singen mit umwerfend viriler Ausstrahlung und attraktiver Physis. Sein Tenor klingt kraftvoll dunkel. Da blüht selbstbewusst der stimmliche Glanz. Tetelman bringt das Kunststück zustande, zugleich nach bestem Schwiegersohn und nach idealem Latin Lover zu klingen, eine Traumkombi für Tenöre.

Zandonais gefährlich strahlende, erotizistisch unterlegte Üppigkeit fängt der Südafrikaner mit Stil, ja, Noblesse ab, sein drängend männliches, doch stets auch jugendliches Singen bietet d’Annunzios machismo wirksame Barrieren, und Tetelman vergisst auch nicht die Tugenden des Legato-Singens und der dynamischen Feinheiten. In Sachen Wortverständlichkeit ist er der Francesca Jakubiak opernhaushoch überlegen.

Francesca da Rimini, Jonathan Tetelman, Sara Jakubiak

Denn das sängerische Minus der Sara Jakubiak ist die verwaschene Diktion. Ansonsten ist Jakubiaks Singen von außerordentlichem timbralem Eigenreiz, und ihre Francesca ist eine eindrucksvoll selbstbewusste, mädchen- wie damenhafte Mittelalter-Donna voll geheimnisvollem Persönlichkeitszauber. Jakubiak hat Lyrismus, Leidenschaft und dringt in der Höhe zuverlässig durch Zandonais nicht zimperliches Orchester.

Ivan Inverardi verbindet für den Gianciotto wenig Tonschönheit mit viel dramatischer Passion, und am Pult findet Ivan Repušić Dirigier-Wege und -Mittel, um Zandonai glutfarbig schwelgen und die Linien sehnsuchtsvoll strömen zu lassen.

Loys Arbeit wirkt auch beim dritten Mal leicht vertrocknet. Es ist unverständlich, warum die Liebesszenen auf schmalem Bühnenrand vor geschlossenem Korbbogen ablaufen. Die feinsinnig ironisch Tapeten-bekleisterte Wand reißt es auch nicht raus, und irgendwie passen der heitere Saal di grande borghesia und die rüpelhaften Mafiatypen nicht zusammen.

Fragen bleiben zum Libretto. An die kalkuliert knappen Verdi- oder Puccinitextbücher braucht man nicht zu denken. Zandonais tragedia liebt die dekorativen Schleichwege, die symbolisch aufgeplüschten Bilder. Der Akt 1 stellt eine mit Canzonen gespickte Vorbereitung auf die dann in schnödeer Stummheit abgehandelte erste Begegnung Francescas und Paolos dar. Akt 2, der den Bürgerkrieg der Malatesta schildert, hätte man ohne Stringenz-Verluste fallen lassen können. Verdi freilich verlegte das Kriegsgeschehen stets weit weg von der Bühne, packte es in einen erzählten racconto oder ließ es nur für Momente vor den Augen des Publikums aufblitzen (Troubadour, Boccanegra, Vespri).

Übel freilich die Choraktivitäten, vermutlich vom Band, im Bürgerkriegsakt.

Zandonai ist in Deutschland noch wiederzuentdecken.