Richard Strauss komponiert Daphne – Untertitel: „bukolische Tragödie“ – 1937, das Libretto schrieb der von Stefan Zweig empfohlene Joseph Gregor, Uraufführung war im Oktober 1938, Dirigent in Dresden war Karl Böhm. Wie Elektra und Ariadne zählt Daphne zu den „griechischen“ Strauss-Opern. Übersichtlich, einaktig spult die Handlung ab. Leukippos und Apoll werben um Daphne. Apoll tötet Leukippos, erkennt jedoch seine Schuld und erbittet von Zeus die Verwandlung Daphnes in ein Lorbeergewächs.

Wie inszeniert man so was?

Daphne Richard Strauss Berlin

Bei Romeo Castellucci fällt pausenlos Kunstschnee auf eine eisige Winterlandschaft, am Horizont grüßt ein Caspar-David-Friedrich-Forst (Stilphase ca. 1810) und vorne fischt jemand am Eisloch. Fischer und Hirten stecken in dicken Anoraks einer Arktisexpedition (Kostüme Clara Rosina Straßer, Theresa Wilson). Auf der knapp möblierten Bühne erhebt sich hier ein zerzaustes Birkchen, dort ein antikes Friesfragment. Vorne links eine Stele mit einer Urne.

Edle Einfalt, stille Öde, wohin man blickt (Bühne: Lisa Behensky, Alessio Valmori). Noblesse verbreiten da nur die Lichtspiele im Hintergrund (Marco Giusti). Aber sonst? Reichlich Schnee, jede Menge geistlose Symbolik, Statik. Nur die scheue Titelheldin Daphne darf ein paar Runden drehen.

Die wird von Vera-Lotte Boecker gesungen. Castellucci steckt sie in Höschen und Trägerhemdchen, ihre Verehrer dürfen ganzbekleidet gehen. Boecker verbreitet zartsüße Antikenbukolik, tönt mühelos tonschön, fast mädchenhaft, auf Dauer gerne aber auch ausdrucksblässlich. Manchmal klingts wie Sophie aus dem Rosenkavalier. Der für Vrielink eingesprungene, junge Magnus Dietrich bietet lyrische Tenoranmut, wenn auch zu zart klangbesaitet. Apollo Pavel Černoch beeindruckt mit noblem, viril modernem Timbre, gebietet aber nur in Ansätzen über die hier wünschens- und fordernswerte Tenorwucht.

Als Peneios streut René Pape (gediegen die Gestalt im schweren Mantel) prachtvolle Bass-Autorität ein (Seid ihr um mich, ihr Hirten).

Apropos seid ihr um mich, es ist bedauerlich, dass der hohe Ton des Librettos, der in Die Frau ohne Schatten und Die ägyptische Helena durchaus zu recht herrscht, in Daphne zu seifiger Hölzernkeit verkommt.

Die Staatskapelle Berlin? Thomas Guggeis könnte ruhig leiser dirigieren und Klanggruppen weiter auffächern, lässt aber einen aufregenden Spätstilstrauss voll gedeckter Farben und interagierender Linien aus dem Graben strömen. Pastoral die Holzbläser, seidig selbstbewusst die Streicher, elastisch fließt das Tutti. Dabei changiert der Gesangsstil in Daphne zwischen Parlando à la Rheingold und kostbarer Linienkunst à la Arabella. Das ist schon sehr hörenswert.

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Die Gaea der Anna Kissjudit erfreut mit starken Alt-Tönen, klingt im tieferen Register aber undeutlich. Gut das Quartett der Schäfer mit Arttu Kataja (anfangs recht leise), Florian Hoffmann, Roman Trekel (herrisch präzise), Friedrich Hamel. Das Mägdeduo (Evelin Novak, Natalia Skrycka) steuert die einzigen komischen Aspekte bei und trällert neckisch, wie’s einst die Rheintöchter taten (Ei, ei, so fliegt sie dahin).

Fazit: Wo Richard Strauss draufsteht, ist auch Richard Strauss drin. Erinnert einiges in Daphne an berühmte Vorgängerwerke, so deutet anderes schon auf schwerelose Spätestwerke wie Metamorphosen oder Vier Letzte Lieder. Die platt ästhetisierende Neuinszenierung von Romeo Castellucci geht irgendwo zwischen Schneeballschlacht und steriler Kälteallegorie verschütt. Zu viel eierloser Hokuspokus, zu wenig Drama.

Der Applaus zuerst mau, ein, zwei Buhs für Guggeis, weil er die Sänger zudeckte, Jubel für die Daphne Boecker, flauer Applaus für das Regieteam, aber keine Buhs, schlussendlich doch breiter Applaus.


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