Schweden! Ein Liederabend in der Komischen Oper bringt nichts anderes als: Lieder, Gesänge, sånger aus Schweden, jenem eisigen, nordischen Land, in dem Nils Holgersson, Pippi Langstrumpf, Greta Thunberg, Zlatan Ibrahimovic, König Gustaf und die toughe Kronprinzessin Victoria zu Hause sind. Wie passend, am Sonntag feierte ein nagelneues Kindermusiktheater über Pippi L., jene streitbare Neunjährige mit den roten Zöpfen, Premiere, und einen Tag drauf tragen die vereinten Sangeskräfte des Opernstudios schwedische Kunstlieder vor.

Bei diesem romansafton, diesem „Romanzen-“ oder eben Liederabend, höre ich mehr unbekannte Komponisten wie sonst in einer ganzen Saison. Ture Rangström, Sigurd von Koch, Elfrida Andrée, Albert Schnelzer oder Adolf Fredrik Lindblad – nie gehört. Nur die großartigen Sinfoniker Peterson-Berger und Stenhammar (der schrieb auch zwei klasse Klavierkonzerte) kenn ich.

Josefine Mindus (Schwedin, klarer Sopran) singt beispielsweise Längtan heter min arvedel (Peterson-Berger), einen Sehnsuchtsgesang, ruhig, von gebändigter Leidenschaft. Eines der stärksten Stücke ist das verhalten ausdrucksvolle Ute i skären von Gösta Nystroem, Elisabeth Wrede interpretiert mit charakterstarkem Mezzo. Es scheint, als wäre der verhangene Ausdruck, zugleich eindringlich und melancholisch, ein Merkmal schwedischer Liedkunst.

Gleich zu Beginn gibts früh- oder hochromantische Lieder von Lindblad nach Claudius und Heine. Die finde ich zu brav.

Josefine Mindus Sopran, Elisabeth Wrede Mezzosopran, Ferdinand Keller Tenor, Nikita Voronchenko Bariton, Ferhat Baday Bass, Hélène Favre-Bulle Klavier, Nanami Yamane Klavier, Opernstudio Komische Oper, 2022

Aber als Ganzes ist der Abend freigebig, fesselnd, einfühlsam. So liefern die Opernstudiosi bestens bekanntes romantisches Liederabend-Futter, nur eben schwedisch abgetönt. Siehe die schnippischen Heine-Vertonungen oder die apart kolorierten Geibel-Liedern (spanisch umflorte Folklore aus Opus 6 von Emil Sjörgen). Noch eindrucksvoller dann die packenden Rangström-Piècen, die vermeintlich typisch skandinavischen Gefühls- und Ausdruckswelten huldigen. Besonders das düster aufrauschende Vingar i natten, das Ferdinand Keller tenorstark abliefert, gefällt mir.

Nikita Voronchenko glänzt in Vårnattsregnet (Frühlingsregen, nach chinesischer Vorlage) mit fernöstlich gemildertem, durch einen festen, viril timbrierten Bariton gebändigtem Naturzauber, und Ferhat Baday macht in Liedern von Stenhammar gute Bass-Figur.

Am Flügel werden Hélène Favre-Bulle und Nanami Yamane mal hold arpeggierend, mal gestisch akzentuierend gefordert.

So ein Abend inspiriert. Mal ehrlich, da erinnere ich mich noch in fünf Jahren dran.

Die Zugabe? Tack för alla sånger in der Fassung für Quintett, besser bekannt als Thank you for the music von einer nicht ganz unbekannten schwedischen Band namens ABBA.


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