Siobhán Stagg im Pierre Boulez Saal mit Französischem.

Auf die sechs Duparc-Lieder habe ich mich gefreut.

Duparc erkrankte mit 37 und hörte mehr oder minder auf zu komponieren. Gefühl, Melodie, Ausdruck, jede seiner mélodies verdient genauestes Hineinhören. Das frühe, mit Schubert’scher Heftigkeit einsetzende Le Manoir de Rosemonde zeigt raffiniert – fast als Inbegriff der Romantik – das unstillbare Leiden an der Welt. Melodisch reizvoll die Romanze Chanson triste, deren Liebestraum-Ton die Australierin mit intimer Zurückhaltung trifft. Extase feiert mit seiner fein ausschwingenden Melodie so verhalten als möglich die Gegenwart des Glücks. Staggs Sopran hält hier den Ausdruck berückend in der Schwebe, vermittelt etwas von der innig weltabgewandten, ganz Duparc zugehörigen Atmosphäre (kleines Intonations-Ding bei der zweiten Sopranspitze, ganz cool nebenbei korrigiert).

Liederabend Boulez-Saal Berlin Siobhan Stagg
Nach dem Konzert

Ihr Sopran, lyrisch, spezifisch timbriert, beweglich, tönt inwendig, intim, faszinierend belegt – französische Kolleginnen wie Devieilhe oder Gens singen klarer und nuancieren feiner. Dafür hat Stagg die schöneren Linien – und mehr Espressivo.

Für die Belle-Époque-Schwermut der in Nuancen, Gesten, Feinheiten schwelgenden Ariettes Oubliées von Debussy hat die ganz in Dunkelgrün gekleidete Sopranistin einen Ton voller Raffinesse. Am schönsten fast das ruhige L’Ombre des arbres. Wer will, hört heutzutage aus Zeilen wie Deuil sans raison… Mon coeur a tant de peine ein schon ziemlich larmoyantes Fin de siècle heraus. Die beiden Schlusstücke der Ariettes, Green und Spleen, von lyrischer Essenz, gelingen noch einmal intensiv. Schön auch die Töne der tieferen Register.

So selten, wie das Programmheft meint, sind französische Liederabende nun nicht. Gens, Devieilhe, Dreisig, Petibon waren zu hören. Fauré, Duparc, Debussy, Ravel, Poulenc sind bestens vertreten. Auch Gounod und Viardot hört man und Véronique Gens sang Ropartz und Hahn.

Die schwierigen, schwierig zu singenden und heute bravourös dargebotenen, katholisch durchzitterten und allegorisch verrätselten Poèmes pour Mi von Messiaen (die im Konzertsaal in der Orchesterversion fast schon Repertoire sind) schließen den Abend ab – fast. Stagg gibt zwei Lieder zu, Debussys Nuit d’étoiles und Hymne à l’amour von Piaf.

Der Architekt des Saals, Frank Ghery, ist unter den Zuhörern.