Andrew Staples singt den sechsteiligen Liederzyklus On Wenlock Edge des Briten Vaughan Williams betörend genau, mit wunderbar leichter Stimme. Die doch eher unbekannten Lieder sind entzückend. Noch besser werden sie, weil Staples‘ lyrische Tenorhelle ihnen jede Sentimentalität vorenthält. Sparsamkeit der Orchestrierung und Umsetzung durch die Berliner Philharmoniker begeistern.

Berliner Philharmoniker Daniel Harding, Strauss Also sprach Zarathustra, Andrew Staples Vaughan Williams
Stillleben mit aufgeklappter Strauss-Partitur

Straussens heikle Tondichtung Also sprach Zarathustra, die Daniel Harding leitet, vermittelt einen zwiespältigen Eindruck. Der Klang kommt voller Tempo und flirrender Überschärfe. Harding fragt: Wie klingt Symphonische Dichtung im 21. Jahrhundert? Ich hör eine beeindruckende (aber auch aggressive) Vielstimmigkeit. Die Musiker überhitzen die Wärme des Melos, schmeißen nicht wahllos, aber sehr tatkräftig mit Farben um sich. Der Höhepunkt? Die Fugendüsternis der Wissenschaften, deren Basslinien deklamatorisch packend ausgerollt werden (und dann das Fagott von Schweigert). Und vorher Kellys Kontrolle im Grablied.

Warum ist Also sprach Zarathustra schwierig? 1. Die Anfangstakte bringen schon den Höhepunkt. Alles Folgende steht im Schatten des Universum-Themas. 2. Dessen Reprise genau in der Mitte der Stücks bricht nach nur drei Tönen ab. Jedes Mal fragt man sich: wieso? 3. Das Programm ist zu abstrakt. 4. Niemand versteht die formale Disposition. 5. Der Tanzlied-Walzer als breit ausmusizierter Zielpunkt der verschlungenen musikalischen Entwicklung ist originell, wiegt aber nach dem getragenen Hinterweltler-Gesang und den aufwühlenden c-Moll-Freuden aufreizend leicht.

Die Kulminations-Tuttis schallen im Saal grellhart ausgeleuchtet. Aber ein Hoch auf Guillaume Jehls Trompetenfanfaren, als es auf das Tanzlied zugeht.

Keine Freude bereitet Rocaná von Unsuk Chin, die Koreanerin hat seit Beginn der Zehnerjahre ein Stein im Philharmoniker-Brett. In Rocaná tummelt sich viel Oberfläche und wenig Substanz. Viel dekorative Hektik. Ein Buhrufer aus G links. Matter Beifall.

Besuchtes Konzert: am Freitag


Weitere Kritik: „Gekonnt hinter den musikalischen Werken zurück“ (Felix Stephan), „Erschöpft und sichtlich gelöst“ (Isabel Herzfeld)