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Die Wiener Philharmoniker mit dem Neujahrskonzert aus dem Großen Musikvereinssaal. Heuer dirigiert Christian Thielemann, der musikalische Chef von Semperoper und Bayreuther Festspielen.
Ein gebürtiger Berliner schwingt am Neujahrstag in Wien das Taktstöckerl. Kann das gut gehen?
Wie immer bietet das Neujahrskonzert eine bunte Mischung aus Bekanntem und weniger Bekanntem, aus Polka (schnell und langsam), Marsch, Ouvertüre und Konzertwalzer, den Paradedisziplinen gehobener Wiener Unterhaltungsmusik.
Wie es gute Tradition ist, erklingen auch 2019 einige Stücke zum allerersten Mal im Neujahrskonzert, darunter der fast impressionistisch durchleuchtete Entr’acte Valse von Josef Hellmesberger Sohn.

Dass der Berliner Thielemann auch die sehnsuchtsvolle Kantilene aus dem Orchester hervorlocken kann, zeigt gleich anfangs der Walzer Transactionen, wo die genüsslich gedämpften Spannungsspitzen eine Interpretationshaltung verdeutlichen. Einen aus kompositorischer wie interpretatorischer Perspektive ähnlich raffinierten Mittelweg geht der leichtfüßige Elfenreigen von Hellmesberger (erneut dem Jüngeren), hinreißend hier die gedeckte Streicherkantilene im Mittelteil.
Das Klangbild, das die Wiener Philharmoniker zur Schau stellen, ist sauber, gestochen klar, knackig wie ein Wiener Würstl, so in der Schnellpolka Express, die ebenso kurz ist, wie der Titel verspricht. Auch Extrapost (beide Johann Strauß Sohn) dauert kaum länger und glänzt wie frisch gewienert. Hier mischt sich eine Prise preußischer Genauigkeit unter das Wiener Schlawinertum.
Die erste Hälfte vergeht wie im Flug.
Nach der Pause kontrastiert in der Ouvertüre zu Der Zigeunerbaron die Andantino-Klage der Oboe mit dem ungarisch kolorierten Tutti. Behaglich behäbig gibt sich Die Tänzerin, Polka française, von Josef Strauß, elegant-spritzig mit Ausflügen ins Pompöse der Konzertwalzer Künstlerleben, wo sich Hornsolo und warmtönige Streicherelastizität die Klinke in die Hand geben. Manche Rubato-Verzögerung bekäme der Österreicher Welser-Möst zwar raffinierter, selbstverständlich-geschmeidiger, auch artifizieller hin. Doch das hemdsärmelige Laissez-Faire Thielemanns steht dem Repertoire ähnlich gut an wie eine gewisse kernige Souveränität, die den deutschen Dirigenten auszeichnet.
Entzückend der selten gehörte, intim klangsinnliche Eva-Walzer aus Johann Strauß‘ Sohn einziger Oper Ritter Pásmán. Aus gleichem Werk dann der Csárdás mit seiner feurigen Kraftentfaltung und dem zauberhaften Kontrastreichtum.
Im Präsent-Korb zum Neuen Jahr haben die Wiener Philharmoniker auch eher leichtverdauliches Kleingemüse wie den Schönfeldmarsch von Ziener. Ebenso zählt der Walzer Nordseebilder, in dem sich die Wellen im Dreivierteltakt wiegen, vermutlich nicht zu den Genietaten von J. Strauß Sohn. Das Stück ordnet sich irgendwo zwischen Wagners Fliegendem Holländer und Debussys La Mer ein. Auch Opern-Soirée (Eduard Strauß) fehlt das geniale Funkeln.
Die Zugaben umfassen die Schnellpolka Im Sturmschritt (J. Strauß Sohn) und, wenig überraschend, An der schönen, blauen Donau (1867), wo sich der blühende, volle Streicherklang der Wiener entfaltet, und den Radetzky-Marsch (1848), den Thielemann hörbar härter anfasst und mit weniger Wiener Charme darbietet als schon gehört.
Das volle Programm ist hier nachzulesen.
Foto: Wiener Philharmoniker
Ja kann man hören, reisst mich aber nicht vom Hocker…
Da gabs gestern Schlimmeres, aus München mit einem absoluten Tiefpunkt, einem blonden RTL Quasselkopp, etwas peinlicheres habe ich selten in einer Klassiksendung erlebt.
Die Philharmoniker unter Barenboim, recht gut, absolute Klasse der Bolero.
Dann ein aufgezeichneter Tiefpunkt aus Dresden mit einer konzertanten Fledermaus, Moderator dieser Edle Tropfen in Nussvertreter, ähnlich peinlich.
Kaufmann und Schager…….wenn man deutsche Sänger nicht mal versteht…..
Da war dann das Konzert eben doch das beste.
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Schaue seit über 40 Jahren das Neujahrskonzert.Das war heuer das schlechteste. Alles was die Wiener Philharmoniker und Strauss ausmacht wurde herausgenommen.Der Charme und die Geschmeidigkeit der Wiener Musik fehlte total.Auch die Regie im Tv war sehr schwach.
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Ich habe das Konzert wie jedes Jahr am Radio verfolgt und fand es wieder sehr schön, aber den Unterschied zu Muti letztes Jahr oder Dudamel davor oder Barenboim habe ich auch gehört. 2020 dirigiert Nelsons übrigens das Neujahrskonzert.
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Lese Ihre Berichte von den Wiener Neujahrskonzerten, die ich nie hör und seh, immer gern. Die „Junge Welt“ gießt übrigens dieses Jahr bitteren antifaschistischen Anis in den Schampus, das Neujahrskonzert sei sowas wie die Autobahn: https://www.jungewelt.de/artikel/346253.wiener-neujahrskonzert-in-guter-alter-tradition.html
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So einen Schwachsinn habe ich selten gelesen, einfach bescheuert. Hoffe das Zuhören hat diesen Typen richtig gequält
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Die Fakten sind schon interessant (wenn’s denn alles stimmen tut). So ausführlich würde ich über das Thema gerne mal in einem Programmheft lesen. Allerdings ist die Perspektive schon sehr eindimensional.
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Was soll das bringen?? Soll man jetzt noch Komponisten entnazifizieren, die von den Nazis missbraucht wurden?
Der hätte mit Sicherheit nicht geschwafelt, wäre es nicht Thielemann gewesen. Ich bin ja nun wahrlich kein Thielemann Fan, aber diese ewige Geschreibsel über seine „Gesinnung“ ist ja nun wirklich albern. Er scheint ja wirklich stockkonservativ sein, aber das nun ständig thematiesieren, geht zu weit. Seine musikalischen Leistungen sollten im Mittelpunkt stehen, wie es ja meistens auch getan wird.
In diesem Fall möchte sich wohl ein unbekannter Mensch ins Gespräch bringen
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Ja, der Ton ist vielleicht alarmistisch und einseitig, aber das Thema ist nicht irrelevant – vielleicht nicht als Partyvermieser, aber grundsätzlich wichtig. Berthold Seliger ist allerdings nicht unbekannt, siehe z.B. https://m.dw.com/de/das-komplette-interview-berthold-seliger/a-17129096
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Gut, mir nicht bekannt, hat aber auch nichts zu sagen :-)))
Für wen soll das relevant sein?? Für 99% der Musikfans sicherlich nicht
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Jetzt ich noch…
Mir ging es eher um die Vorgeschichte des Neujahrskonzerts. Die fand ich interessant. Dass Thielemann politisch anders tickt als z.B. Rattle, ist ja eher kein Geheimnis. Die Leser der Jungen Welt erwarten sicherlich auch keine Kritik im herkömmlichen Sinne.
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Ah soooooooooo,
ja ist interessant, aber dann wahrscheinlich doch eher in Österreich. Wie das die Fans ticken, haben Sie ja sicherlich in dem Forum auf der Seite, auf der Sie auch immer erwähnt werden, mitbekommen.
Staune, das Leser dieses Blattes es überhaupt mit Kultur haben…..
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Wenn man schon die Geschichte strapaziert,sollte man auch nicht vergessen dass ursprünglich der Wiener Walzer als Proletenmusik verboten und vom Adel als Wäschermädelmusik abgelehnt wurde.Strauss wurde als Gassenhauer in Arbeitervierteln in Wien gepfiffen.Die gefällige Musik hat sich letztendlich in allen Gesellschaftsschichten durchgesetzt und hat auch alle Missbrauchsversuche ,von wem auch immer, glücklicherweise überlebt und so soll es auch meiner Meinung nach auch bleiben.
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Klasse ausgedrückt, bravo….
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Die Preussen leiden noch immer darunter, dass sie zwei Weltkriege angefangen und leider verloren haben.
Mich würde interessieren, wie Thielemann dirigieren wird, wenn er der Nachfolger Barenboims an der Lindenoper wird. Einen bessren gibt es nun mal nicht.
Also : Falstaff mit Thielemann, wie klänge das ?
Chi schiavare no puo la propria noia, l’acceti di buon grado..
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Evviva !
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Als Kind hatte ich eine LP mit Wiener Walzern von Karajan. Ich dachte damals – wie kann der mit den Berlinern sowas spielen. Konnte er doch, zumindest für die Platte.
Auf jeden Fall war Thielemann der erste deutsche Dirigent, der das Neujahrskonzert aufgetragen bekam, und er hat es sehr gut gemacht. Eine bessre Synthese gibts wahrscheinlich nicht.
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Thielemann wird nun sicherlich wie Rattler sagen : Musik mit den Philharmonics ist wie Sex mit einer schönen Frau, die man nicht leiden kann. Dafür tickt der nun wirklich anders.
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Chi schivare non può la propria noia L’accetti di buon grado. So heißt es auf Google oder Ricordi.
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