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Zweite Saisonvorstellung von Das schlaue Füchslein an der Deutschen Oper.
Katharina Thalbach inszeniert die Oper von Leoš Janáček (Uraufführung Brünn 1924) atmosphärisch dicht, hält Bühnenbild und Figuren nah dran am Kinderherzen. Da wachsen Gräser und Bäume bühnenhoch, es kreuchen und fleuchen Getier und flügelschlagende Insekten. Thalbach verschränkt Menschen- und Tierperspektive, das passt gut zu Janáčeks pantheistischer Komposition, in der Trübsal und Glück Teil des ewigen Kreislaufs der Natur sind.
Die Menschen, die Männer zumal, haben rote Säufernasen und rote Bäckchen, als wären sie ständig besoffen von ihren Alltagssorgen und Sehnsüchten.
Thalbachs schön anzuschauender Bilderreigen betont das Märchenhafte des Stoffs, aber er unterschlägt auch nicht, dass Příhody lišky Bystroušky (so der Titel der Oper auf Tschechisch) eine tiefsinnige Fabel ist, in der Menschen- und Tierwelt eins sind.

Füchslein Schlaukopf (Viktoria Kaminskaite, mit klarem Sopran) wächst in Gefangenschaft auf, sprüht vor Lebenslust, hält feministische Reden im Hühnerstall und verguckt sich nach ihrer Flucht in den Fuchs (Amber Fasquelle, tonschön in uriger Lederjoppe und kecker Karohose). Doch das Glück ist schnell vorbei. Der Landstreicher Harasta (Thomas Lehman) schießt Füchslein Schlaukopf tot. Entstehen und Vergehen gehen Hand in Hand, das erfährt auch der Förster (Derek Welton, souverän). Er fängt das Füchslein, schützt es vor der Försterin (Annika Schlicht, schön eifersüchtig-schmallippig gesungen) und sucht es zum Schluss doch, sehnsüchtig durch den Wald pirschend.
Hübsch anzusehen sind die drei Trübsal blasenden Männer im Wirtshaus, neben dem trinkfesten Förster sind das der alt und sentimental gewordene Schulmeister (auf den Punkt gesungen von Clemens Bieber) und der schwermütige Pfarrer (James Platt). Sie träumen vom Zigeunermädl Terynka. Gut getroffen sind auch der kugelrunde Wirt Pasek (Jörg Schörner) und die hinkende, bedrohliche Gastwirtin (Flurina Stucki). Die gute Ensembleleistung ergänzen Lisa Mostin (u. a. Grille und Eichelhäher), Kristina Clemenz als Schopfhenne, die Anführerin der aufgeplusterten Hühner, und die junge Cornelia Kim als Heuschrecke. Ya-Chung Huang (Hahn) stolziert wie ein Pascha durch seinen Hühnerharem und Sibylle Benner-Jost gefällt als großäugige Eule.
Moritz Gnann liefert am Pult des Orchesters Wärme, Kraft, Genauigkeit für Janáček, auch die hymnischen Aufschwünge funkeln. Gnann beweist, dass Janáček sogar hochfaszinierend ist, wenn er einen sommerlich summenden Wald komponiert. Das tierische Vergnügen geht auf das präsente Orchester der Deutschen Oper über, das einen sehr guten Abend hat, aber einen noch besseren Dirigenten.
Viele Familien mit Kindern im Publikum.
Das Programmheft ist dieses Mal sehr lesbar, auch der Abdruck des gesamten Texts hilft.
Foto: Bettina Stöß
Leseempfehlung: die Kritik der konzertanten Aufführung von Das Schlaue Füchslein durch die Berliner Philharmoniker vom Oktober 2017 (Hundert11).
och, denn muss ich da ja wohl doch hin, wollte eigentlich schwänzen
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Ja, Herr Mohrmann, ‚Das Schlaue Füchslein‘ lohnt sich immer. Mehr zu Janacek können Sie meinem im Transit-Verlag erschienenen Buch entnehmen.
Viel Vergnügen.
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Danke für Tipp…
Ich hab diese Aufführung vor Jahren gesehen, fand sie ein bisschen zu kindisch. Hatte damals einmal das Glück die Felsenstein Inszenierung zu erleben, deshalb ein bisschen skeptisch, aber nachdem Herr Schlatz das jetzt so gelobt hat….
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Ich habe auch die Felsenstein-Inszenierung gesehen, mein Gott wie alt muss man dann sein. Die neue Berliner aber nicht, die Thalbach schwärmte ja von Felsenstein, dem Erfinder des Musiktheaters. Aber kindisch sollte es nicht sein, obwohl ein Familien-Stück…
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Schauen sich die Bilder an, dann werden Sie mir vielleich recht geben
https://www.deutscheoperberlin.de/de_DE/calendar/das-schlaue-fuechslein.15126647
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O, wie schön, dass Sie da waren. „Das schlaue Füchslein“ ist herrlich, ein reiches, warmes Werk, das einen zu Tränen rühren kann.
Die DO-Version habe ich vor einigen Jahren in einer „Familienvorstellung“ gesehen, die doch musikalisch etwas nachlässig war. Außerdem sehr unruhig; wobei oft nicht die Kinder so laut sind, sondern manche Eltern, die meinen, ihren Kindern das Bühnengeschehen simultan-erläutern zu müssen. Vorbereitung wäre hier dem Live-Kommentar vorzuziehen, außerdem sollte man die Kinder nicht für blöd halten!
Opernaufführungen rund um die Weihnachtstage sind aber sowieso immer besonders unruhig, auch wenn es keine Familienvorstellungen sind.
Würde mich freuen, „Das schlaue Füchslein“ mal auf einer Berliner Opernbühne in der Originalsprache zu hören. Moritz Gnann scheint mir ein vorzüglicher, ernsthafter Dirigent, sein „Billy Budd“ an der DO war hervorragend.
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Antwort auch an Hr. M. + F.: ja, da hat der Janáček schöne Musik geschrieben. Das „Liebesduett“ ist hinreißend. Die Kinder störten gar nicht. In meiner Reihe hat eine Mutter mittendrin ihre Dreijährige rausgetragen, ist nicht schlimm, kurz aufstehen, dann gehts weiter. Die Thalbach-Inszenierung funktioniert, weil die Musik in der Tat mitreißt und die Geschichte des Füchsleins selbst spannend ist, man ist ganz gerührt. Vielleicht langweilt man sich, wenn der Dirigent grottenschlecht ist. Der böse Schuss ist genauso tragisch wie das Ende Toscas. Mist, jetzt reut es mich noch stärker, dass ich nicht in Billy Budd war.
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Sie haben mich überzeugt, ich gehe am 4. Januar mit meinem Ältesten noch hin.
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Stimmt der Billy Budd war und ist überragend…
Aber zum Nabucco, Anna Pirozzi und Roberto Tagliavini haben es geschafft, das ich viele Tränen vergossen habe.
Petean nach der Pause auch hervorragend, alle kleine Rollen ebenfalls. Ein tragischer Ausfall Atilio Glaser, bei dem hatte ich mir eine tolle Zukunft vorgestell, hoffe für ihn, das er die nicht schon hinter sich hat.
Beim Dirigat ein paar Kleinigkeiten, die nicht Freude bereiteten, aber hinnehmbar. Habe jetzt nen Konflikt, entweder nochmal Nabucco oder Füchslein oder beides….
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Tolle Inszenierung, aus der man sich leider keine einzige Note merken kann.
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Mein Ältester fand sie gut, aber mein Jüngster war dann nach Ansicht des Trailers doch eher für Opern, die er aus den Simpsons kennt. Beim 1. Mal wars Bajazzo, beim nächsten Mal wirds Barbier von Freyer / Berghaus. Gyula Orendt macht das sicher gut.
Sono il factotum della citta…
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