Tosca von Puccini.
Hier die Kritik zur Tosca mit Sonya Yoncheva 2019 lesen!
Kurzentschlossen geht es in die Staatsoper Berlin.

Yusif Eyvazov stellt den Maler Cavaradossi nicht als maskulinen Tenorbolzen, sondern als gutmütigen, etwas phlegmatischen und zutiefst melancholischen Bären auf die Bühne – keinem Cavaradossi nimmt man die treuherzig liebende Seele,
die der Geliebten noch jeden ihrer Eifersuchtsanfälle verzeiht, mehr ab als Eyvazov. Die Arien singt Eyvazov mit Legato und sorgsamer Dynamik und hörbar um Schmelz und Genauigkeit bemüht. Von sentimental strömender Kantilene geprägte Stellen (Mi avvinci nei tuoi lacci) gelingen gar hinreißend. Die leichte Tendenz zum Knödeln stört nur wenig, und klingen die lang ausgehaltenen Spitzentöne in La vita mi costasse in der Angelotti-Szene noch ein wenig flattrig, so singt Eyvazov die todesmutigen Vittoria-Rufen des zweiten Akts tadellos, auch wenn das Spinto-Metall darin doch dünn schimmert. Überraschend die männlich dunklen Töne der tieferen Lage, womit man abschließend sagen kann, dass der Tenor sich sehr achtbar schlägt.
Ihm zur liebenden Seite steht Elena Stichina, die nur zaghaft zu der rollenstiftenden Impulsivität der Tosca findet und erst verführerisch wirkt, wenn sie Scarpia um den Finger wickelt, um ihn desto sicherer erdolchen zu können. Als Tosca gleicht ihre Stimme einem noch unbeschriebenem Blatt, aber immerhin einem sehr schönen. Ihr Sopran ist rund, von samtweicher Textur und steigt mühelos in die höchsten Höhen, ohne doch Toscas Affekt einer rückhaltlos liebenden, aber eben auch krankhaften Eifersucht – immerhin ist dies der dramaturgische Hebel, mit dem Scarpia die Tragödie in Gang setzt – ganz beglaubigen zu können. Wunderbar glaubhaft aber dann Toscas Schrecken, als sie versteht, dass Mario Cavaradossi im Nebenraum gefoltert wird. Was für eine mädchenhafte Tatjana (in Tschaikowskys Eugen Onegin), welch hinreißend lyrische Verdi-Sängerin muss sie sein!
Toscas Widersacher ist der finstere Polizeichef Scarpia, der in Gerald Finley seinen Meister findet. Schlank, gut aussehend, kalt, stellt Finley den Vollblutbösewicht Scarpia als gewieften Taktiker der Macht auf die Bühne, der mit einem Zucken der Lippen, mit einer Bewegung des Oberkörpers das Geschehen beherrscht. Sängerisch positioniert Finley den Scarpia weitab vom brachialbaritonalen Klischee (wiederum weitab vom Klischee, aber doch mit der Elementargewalt des Bösen sang Michael Volle die Rolle). Finleys Stimme ist nicht groß, aber sehnig wie ein Muskel, und jede Phrase sitzt, wenn Finley auf der Suche nach der kantablen Melodik Puccinis ist. Dazu kommt die herbe Schönheit der Stimmfarbe, und das Legato strömt zwar nicht, aber es ist betörend genau. Selbst im Tedeum bleibt Finley hörbar.
Jan Martiník singt einen wollig klingenden, behutsam komödiantischen Mesner. David Oštrek ist der aus der Engelsburg geflohene Angelotti, Adam Kutny (gedrungen und gefährlich) und Florian Hoffmann (der Beamte als Täter) verkörpern als Sciarrone und Spoletta passgenau Scarpias dienstbare Geister. Ulf Dirk Mädler ist der mit schaurigem Fatalismus sein Käsebrot essende Kerkermeister, der vor dem ersten Biss kontrolliert, was auf dem Brot ist.
Regisseur Alvis Hermanis lässt die alles in allem allzu pflegeleichte Tosca wie ein gefügig gemachtes Opernkätzchen abschnurren. Die hellfarbige Bühne will sich nicht recht in das finstere Bühnengeschehen schicken, die aufgeräumte Tableau-Ästhetik erstickt noch jeden Thrill und jedes echte Theaterblut. Addio amore, addio passione! Zudem verleitet die monumentale, von Pilastern eingefasste Steinmauer, deren Projektionsfläche den finsteren Plot allzu sorglos bebildert, die Sänger zu statischem Agieren. Nur ein Bühnenberserker wie weiland Michael Volle konnte die Handlung mit Drama füllen. Man weiß schlussendlich nicht, wofür sich Hermanis eigentlich interessiert, für die Charaktere, für das Drama, für dessen Rezeptionsgeschichte gar? Alles scheint gleich unwahrscheinlich. Allein die genaue Personenführung der Nebenrollen entschädigt dafür teilweise.
Simone Young übernimmt den Dirigentenstab von Domingo Hindoyan, den ich zuletzt bei Tosca am Pult gehört habe. Die ehemalige Hamburger Generalmusikdirektorin drosselt das Tempo und lässt im Gegenzug die Staatskapelle vollmundig-opulent auftrumpfen. Auffallend die süffig koloristischen Holzbläsersoli und die knalligen Blow-ups des Orchesters. Mir gefiel Hindoyans sehnig straffe, zügige Deutung besser. So dirigiert Simone Young die Überwältigung immer schon mit, die Puccinis farbenglühende und gefühlssatte Musik erst hervorrufen sollte.
Foto: Hermann & Clärchen Baus
Zu Fr. Stikhina, Sie ist eine hervorragende Verdi Sängerin. Ich habe sie im Februar als Troubador Leonore erlebt, überragend!!!!
LikeLike
Kaum ne Inszenierung lässt mich so kalt wie die von Hermanis, einfach zum Haare raufen was der Mann produziert , Herzblut null.
Elena Stikhina hat mich unheimlich berührt, man muss einfach nur die Augen schließen und genießen.
„Zaghaft“ stimmt nur wenn man berücksichtigt dass im Graben in slow motion dirigiert wurde und einem die Bilder von hysterisch hochgepushten Toscas von Callas bis Gheorghiu wider Willen geprägt haben.
Bleibt zu hoffen dass sie in Zukunft auch Angebote ablehnen kann damit sie ihre einzigartig leuchtende Stimme bewahrt.
Selten gibt es einen so klar und fest singenden Cavaradossi zu hören wie der von Eyvazov der noch dazu ohne das übliche Tenorgeschmiere à la Del Monaco auskommt.
„Recondita armonia“ leise begonnen und mit Stilgefühl zu ende gesungen. Bravo. Wenn der Mann sich so weiter entwickelt tritt er bald aus dem Schatten seiner berühmten Frau heraus.
Die Wahl zwischen Finley und Volle fällt besonders schwer gegensätzlicher kann man Scarpia kaum singen ich finde beide state of the art
Simone Young kennt Tosca einfach sehr gut was in jedem Takt zu hören war, gewiss trat sie auf die Bremse aber so gab es auch traumhaft schöne Momente zumindest als ich drin war.
Saß Parkett hinten, da war das Orchester nicht so laut.
Die neue Klimaanlage ist prima :-)
LikeLike
„sich sehr achtbar schlägt“ Der Schreiberling hat ja wohl nicht mehr alle. Eyvazow und Stikhina waren einfach großartig
LikeLike
DO Faust ohne Hymel und ohne Damrau und anstatt des angekündigten Castronovo steht auf der DO SEITE ein Russe https://deutscheoperberlin.de/de_DE/calendar/faust.14543029
LikeLike
Vielleicht sind es bei Hymel Stimmprobleme. Er hatte im Frühjahr Probleme bei den Münchner Vepres und hat dann an der Met auch Gounod abgesagt. Wünschen wir ihm gute Genesung!! Superschade, dass auch Damrau absagt
LikeLike
26. und 29. singt Castronovo. Und Car singt Mimì an der Met.
LikeLike
Och. Die Bijoux-Arie, warum nicht?
LikeLike
Als Mimì kann ich mir die nicht so recht vorstellen, wenig Wärme, wenig Gefühl in der Stimme und hier bei Gounod zu extrovertiert, aber sonst schöne feste Stimme.
LikeLike
Es ist kein Russe, sondern ein Ukrainer…
LikeLike
Bei dem Singeabend am 25.5 . war Car nicht so dolle..
War aber am Montag zur Probe der Reise nach Reims, das wird musikalisch wohl wirklich Klasse.Inszenierung kann man wohl hinnehmen, jedenfalls besser als der gräßliche Rigoletto
LikeLike
Geht hier eigentlich jemand in Viaggio Premiere oder in Netrebko Domingo Macbeth?
LikeLike