Da ist sie wieder, jene von Bayreuth so sehr geprägte Zeit, da man beim Wasserlassen das Wellenmotiv, beim Bad im Wannsee das Naturmotiv und vor dem Einschlafen das Schlafmotiv pfeift.

Kirill Petrenko: Er ist besser als 2014. Besser als beim Münchener Ring vom Anfang diesen Jahres. Das Festspielorchester steht wie eine 1. Hingegeben dem lebhaften Detail.

Was ich vermisse, ist die Gewalt leiser Stellen.

Frühkapitalist Alberich, mit rauer Stimme gesungen von Albert Dohmen, ist das beste Rollenporträt des Abends. Ja, wiewohl der aufmerksame Hörer Unstetheiten und laxe Phrasierungen nicht unbemerkt passieren lässt. Doch keinesfalls von schlechten Eltern ist das schallkräftige „Hüte dich, herrischer Gott“ – ein gutes Beispiel des sprichwörtlichen Nibelungenhasses, und das nicht zuletzt dank des energischen rhythmischen Zugriff, den Dohmen ausübt. Jede Menge heikle Intervalle, Prägnanz, vibrierende Kraft, was will ich mehr?

Loge John Daszak überzeugt – halbwegs. So beweglich und wortverständlich sein leichter Tenor ist, so wenig lässt sich das angelsächsische Idiom besonders bei schnellen Parlando-Passagen überhören.

Kein Zweifel, Wotan Wolfgang Koch gehört zur anti-kantablen Fraktion. Ein Bravo für seinen differenzierten Vortrag, der mit emphatischen Betonungen und trickreichen Nuancen gespickt ist. Auf der Sollseite steht ein schwachsonorer Gesangston. Koch neigt zu brüchiger Kantabilität. Die Tendenz zu lässigem Parlando geht weiter, als manchem eingefleischten Wagnerianer lieb sein kann. „Abendlich strahlt“ wurde selten Stimmsamt-ferner gesungen. Dennoch ist das (fast) jeden Takt hörenswert. Im Übrigen ist der Rheingold-Wotan das beste Beispiel, dass schon bei den alten Germanen der Versuch, Lohn-Dumping durchzudrücken, gang und gäbe war.

Die Fricka von Claudia Mahnke zeichnet sich durch schöne „Wehe“-Pianissimi aus. Alles Vokalbombige ist dieser Fricka fremd. Mahnkes Stimme ist ein dunkel leuchtender Mezzosopran von schöner Klangqualität und charakteristischem Timbre. Das As in ihrem Ärmel ist indes die individuelle, wortnahe Interpretation. Anders Allison Oakes, deren Freia ebenso süß- wie dünnstimmig rüberkommt; für die Höhenregion wünschte man ihr mehr Souveränität und weniger gutturalen Gesang. Und Erda Nadine Weissmann ist eine gute Erda.

Andreas Conrads kleiner Auftritt ist groß genug, um sich auf seinen Mime in Siegfried zu freuen. Fasolt Wilhelm Schwinghammer und Fafner Andreas Hörl sind verlässliche, wenn auch nicht herausragende Interpreten ihrer Rollen. Wilhelm Schwinghammers kernigem Bass geht der machtvolle Klang ab, Andreas Hörls Stimme die vokale Majestät. Beide füllen ihre Rollen nicht voll aus. Gleiches gilt für das göttliche Brüderpaar Daniel Schmutzhard (Donner) und Lothar Odinius (Froh).

Rheintöchter Bayreuth Mirella Hagen, Julia Rutigliano, Okka von der Damerau
Mirella Hagen, Julia Rutigliani, Okka von der Damerau / Foto: Enrico Nawrath / Bayreuther Festspiele

Rheingold liebt man nicht nur wegen seiner generellen Kürze, sondern auch und gerade der kurzweiligen Rheintöchter wegen. Heute Abend ist Mirella Hagen die übermütige Woglinde. Ihr Sopran ist leicht wie ein Degen. Ich frage mich nebenbei, was Alberich sich unter einem „fräulichen Kind“ vorstellt. Wellgundes Stimme (Julia Rutigliano) ist nicht weniger lebhaft, doch klangreicher, aber angespannt in der Höhe. Die vorsichtige Floßhilde weckt Anna Lapkowskaja zu sprudelndem Leben. Lapkowskajas „Wie deine Anmut mein Aug‘ erfreut“ ist ein Kabinettstück sprechenden Gesangs.

Das Festspielorchester agiert hier in der ersten Szene präzise und temperamentvoll. Plastische Energie belebt die Aufschwünge. Nur die Rheingoldmotivtrompete tackerte ihr Motiv plakativ in den Orchesterteppich. Da weitere markante Orchestereffekte, so das Auftreten der Riesen, eindimensional wirken, mag der Dirigent, weniger der Solist, verantwortlich sein.

Sängerisch war das Rheingold in München 2015 bzw. die Berliner Rheingolds 2013 ansprechender.

BR Klassik gehört.