Die Staatskapelle spielt in der Philharmonie ein schwächeres Tschaikowskykonzert. Sie spielt eine gelungene Elgarsinfonie.

Frage: Welcher Musiker setzt sich nach getaner Arbeit in der ersten Konzerthälfte in den Zuschauerraum, um die zweite Konzerthälfte zu hören? Yefim Bronfman. Heute sitzt er nach der Pause auf dem Platz, auf dem Rattle gerne sitzt, wenn er Lust hat, sich ein Konzert der Philharmoniker anzuhören, das er nicht dirigiert.

Yefim Bronfman.

Bronfman lässt sich Zeit für das erste Thema, das er gewichtig und ehern nimmt.

Vieles von dem herkömmlichen Pathos versachlicht Bronfman zu monumentaler Größe. Bronfman ist oft demonstrativ schnell, gestattet sich (und uns) keine bedeutsame Verzögerung. Pompöse Gestik ist ihm ein Greuel. So wirken Übergänge spröde, doch gerade weil sie undemonstrativ wirken, scheinen sie richtig und wahr. Spielt Bronfman Passagen mit Verzögerung, wirken sie wie das Gegenteil von Bedeutungshuberei, sie klingen nach Bedeutungsscheu.

Den Beginn der Exposition zerlegen Bronfman und Barenboim in mehrere von leisen Stellen getrennte Gruppen. Die Verbindung von Ausdruck und Einfachheit, die Bronfman in den Solostellen der Durchführung gelingt, ist beispielhaft. Seine imperialen Oktavkaskaden in der Coda hinterlassen eine Spur der Verwüstung. An Effektivität stehen sie Schwarzeneggers Railgun-Exzessen in den Neunzigern in nichts nach. Die Rechte des Pianisten produziert ab Mitte der viergestrichenen Oktave gleißende Töne, die so nur bei Bronfman klingen.

Barenboim lehnt sich ans Geländer, kreuzt die Beine, als Bronfman die Solokadenz im ersten Satz spielt.

Schade. Das Konzert hört sich orchesterseitig kaum geprobt an. Holz und Blech lässt Barenboim unbedacht, zu laut, oder unsubtil einsetzen. Und wenn das Tutti Fortissimo hat, ist es immer gleich volles Rohr.

Bronfmans Zugabe? Prokofjew, Sonate Nr. 7, Precipitato.

Elgar 2. Sinfonie.

Es ist schwierig, über dieses 59-Minuten-Werk zu reden. Viersätzig, ist es von stets strikt symphonischer Haltung. Der Sinn für umfangreiche, aus motivischen Varianten gebildete Steigerungen wirkt brucknerisch. Man müsste das Larghetto ein Drittel langsamer spielen, um es mit brucknerschem Ausdruck aufzuladen. Niemand wil das. Aber der Gedanke ist interessant.

Das Werk strahlt eine unbeirrbare Diesseitsenergie aus. Es sammelt seine zentrifugalen Elemente immer wieder ein. Es besitzt eine zähe, leuchtende, vitale Kraft und löst alle Spannung im verlöschenden Ende auf. Das Finale entwickelt sich in behaglicher Breite zu Meistersingerhaftem Pomp.

Daniel Barenboim dirigiert. Heute Abend werde ich zu einem Elgar-Anhänger, irgendwann im ersten Satz.

Das Gefühl ist da, dass der außerordentliche Applaus Barenboim, weniger Elgar gilt.

Die Streicher sitzen von linke nach rechts: 1. Geigen, Celli, Bratschen, 2. Geigen. Die Bässe hinter den 1. Geigen. Hörner hinter den Bratschen, Harfen hinter den 2. Geigen.