Es ist das erste reguläre Konzert des neuen Generalmusikdirektoren der Staatsoper Berlin Unter den Linden. Ein solches Antrittskonzert gab es zuletzt Anfang der 90er.
Vorab gibts als easy konsumierbares Häppchen Elysium des Kanadiers Samy Moussa, der Klang kommt maximal von Elektra (oder von John Adams), der wummernde Inhalt von Götterdämmerung. Im Zentrum steht Mendelssohns Klavierkonzert Nr. 2, das Igor Levit mit Ausdruck und leidenschaftlicher Genauigkeit anpackt – und mit hörbarer Gefühlsabdunklung. Danae Dörken spielte das Werk, das weder Virtuosenfutter noch Symphonie mit Soloinstrument sein will, vor Kurzem beim DSO eher trocken. Heute, mit Levit, klingt das zweite Thema zuerst streng wie Beethoven, dann schwärmerisch wie Schumann, doch zeigt sich Levits Spiel nie nur-expressiv, sondern stets auch Hirn-kontrolliert.

Das B-Dur-Adagio enthält sich großer Kontraste. Doch der trostvollen Molto sostenuto-Ruhe schiebt der Solist eine Unruhe-Ungewissheit des Ausdrucks unter. So als wäre plötzlich unklar, ob das Versprechen von Schönheit hier überhaupt noch gelte. Es liegt über dem Levit-Zauber, den das Passagenspiel des Presto scherzando verbreitet, an diesem Abend ein Schleier gedämpfter Brillanz. Orchester und Pianist verzahnen bei schöner Temponahme Tutti und Soli aufs Engste. Levit und Thielemann – haben sich da zwei gefunden?
Als deklamations-intensiv sich aufbauende Zugabe folgt Ravels Kaddisch in c-Moll von 1914 (Gebetstext auf Deutsch: Erhoben und geheiligt werde sein großer Name) in der Siloti-Bearbeitung. Menuhin spielte das in einer Geigenfassung (Aufnahme 1936).
Das wohl bewusst mit Schönberg, Mendelssohn und Levit besetzte Konzert zum 7. Oktober setzt Akzente, die beispielsweise Außenministerin und Berliner Beauftragte bitter vermissen lassen.
Der leitmotivisch durchwirkte, Farb- und Höhepunkt-glühende Motiv-Teppich, den Schönbergs Pelleas und Melisande in 42 Minuten entrollt, klingt wie Wagner, nur viel länger. Wenn man nach einer guten halben Stunde denkt (als die vier Harfen bedeutungsvoll aufglitzern), Pelleas wäre endlich gen Himmel gefahren, verkündet kurz darauf das Pelleasmotiv sein Weiterleben. Das Blech hat einen Abend zum Zungeschnalzen, bei den Berlinern hat es mehr Brillanz in der Power, bei der Staatskapelle hat es mehr weich gerundete Wucht. Thielemann macht das gut: fließendes Klangkontinuum, organisches Motiv-Verschränken, softe Attacke.

Ein Thielemann-Einstand nach Staatskapellen-Maß. Die sich anschließende zweifache Ehrung Barenboims mit dem lustigen Chialo-Versprecher (Schöneberg statt Schönberg) zeigt, dass Barenboim seinen Humor nicht verloren und die Berliner Barenboim nicht vergessen haben.
Hab das Konzert jetzt auf arte gehört, und der Mendelssohn war wirklich außerordentlich, vom Orchesterklang und Drive her. Es ist ja eigentlich kein ganz großes Klavierkonzert, aber was die beiden daraus machten, war extraordinär. Alleine die Abstimmung der Bläser, das muß Thielemann eine Weile lang geprobt haben. Und solch einen Pauker, der fröhlich die Klöppel schwingt und dazu lacht, hab ich noch nie gesehn.
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Die Sancta Susanna von Holzinger, die jetzt auf Deutschlandtour geschickt wird, kommt mir vor wie Tutti Frutti, das Uralt-Schmuddel-Erotik-Format von Proll-Sender RTL, für Akademiker. Lustig, dass das woky-woky Van-Magazin die Oper Arabella für unter seiner Würde hält, aber von nackten Nonnen auf Skateboards gethrillt wird.
Es dürfte die erste Saison Unter Linden seit Längerem sein, in der Koch oder Volle oder Mayer nicht singen. Es waren/sind gute Jahre (seit 2010) des dramatischen deutschen Baritongesangs. Jeder Wotan, Holländer, Telramund, Sachs der letzten 15 Jahre, der nicht mit einem der 3 besetzt war, fiel doch zurück. Das war die Krux des Bayreuther Kober-/Thielemann-Holländers. Für die kürzeren Rollen (und Klingsor) zählen mit etwas Abstand auch Dohmen und Struckmann dazu, ich verstand nie, warum Kesting die beiden derart abqualifiziert. Wenn auch Volle als Amfortas oder Telramund immer übermotorisiert klang… Koch ist vielleicht der beste Telramund. Als Wotan haben alle drei höchste Meriten. Den Sachs von Koch und seinen Wotan im Castorf-Ring liebte ich besonders.
Ich hab die DO immer runtergemacht, weil sie Wagner am liebsten mit mäßig artikulierenden Anglophonen besetzen, aber jetzt macht die SO Meistersinger mit C. Maltman (den höre ich wie C. Foster überhaupt nicht mehr) und Holländer mit J. Rutherford (mein schlechtester Wolfram, DO ca. 2018). Dahingegen die DO: Dort singt Thomas J. Mayer Sachs und Mandryka, falls er denn nicht absagt.
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Echt jetzt? Die Arabella ist doch schon die wokste Inszenierung in Berlin , wo die Zdenka Trans wird
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Ziehen Sie nach Wien, München, oder nach New York. Obs da besser wird, ist ne andre Frage.
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Und damit von Creepy Gretta und den Pali-Deppen wieder zur Musik. Weil beim RBB Kulturradio, jetzt Radio Drei, weder Platz für Konzertvideos noch für Radioübertragungen zum Nachhören mehr ist, muss man zu BR Klassik, die ihr Geld noch nicht zur Gänze in Ehrenpensionen stecken, um das Konzert zu nachhören.
https://www.br-klassik.de/aktuell/news-kritik/kritik-thielemann-antrittskonzert-staatsoper-unter-den-linden-100.html
Aber der RBB kappt so halt auch für DSO und RSB Zugänge zu medialer Präsenz. Ja mei, selbst der klamme MDR schafft es, aktuelle Konzerte der eigenen Orchester vorzuhalten. Hörenswert übrigens die Brucknersinfonien unter Russell Davis, recht flott, offenbar durchgängig als Erstfassungen, also auch VIII,1 mit der tollen Coda:
https://www.mdr.de/mdr-klassik-radio/klassikthemen/anton-bruckner-jubilaeum-zweihundertster-geburtstag-100.html
War hier ja auch seit Corona für ein ARD-weites Nachhörarchiv aller Rundfunkensembles, gerne mit Ö+CH. Aber na ja.
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Gute Worte. Chialo ist der rechte Mann am rechten Ort, gerade wo andernorts viel Verständnis für Terroristenversteher herrscht
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Tja, der gute Pantisano. Man fragt sich. War die Queer-Community immer schon so deppert rückständig?
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Ist gut, der Antisemitismus von Gretta ist ja auch absolut creepy, ähnlich wie der von Amnesty
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Also jetz mal bitte nicht so deppertes Zeugs gegen die queers. Vielleicht sind die in Berlin ein bisschen zu extrem, das is ganz sicher. Aber die Schwulen, die ich in meinem Leben kennengelernt habe, waren alle sehr warmherzige Leute (warme Brüder, hätte mein Opa gesagt). Und ungeheuer ästhetisch veranlagt.
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Hier ist ein wunderbares Bild, was ein queer von damals malte. Zu besichtigen hier, in der Gemäldegalerie. Ein bessres haben sie nicht.
https://artinwords.de/wp-content/uploads/Sandro-Botticelli-Tondo-Raczynski.jpg
In Wien gibts noch eins.
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ich hörte bei dem 2. Satz bei Mendelssohn einen deutlichen Unterschied zwischen der weich gehaltenen Orchestereinleitung und wie Levit das spielte nämlich viel klarer. Ich hab Chialo den Auftritt gegönnt vor allem weil er wie man hört alles getan hat um Thielemann nach Berlin zu bekommen. Selbst KLK hat im Pausengespräch im RBB Thielemann seinen Respekt nicht versagt.
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