Tscherniakows Ringinszenierung schwelgt in repräsentativer Instituts-Innenarchitektur, die mal aus der DDR, mal aus der BRD zu stammen scheint. Dank Hebebühne wird die in ein eifrig rotierendes Stockwerksystem eingeschachtelt – wo dann eine biedere, opportunistische Forscherkaste rund um Lichtalbe Wotan haust. Regisseur und Bühnenbildner Tscherniakow schafft es sogar, dass die allenthalben eingesetzten Retroeffekte modern wirken. Naturgewalten haben nur als Partygimmick (Donners Gewitter, Frohs Regenbogen) überlebt – infantil mimetisch wie ein Emoticon. Auf der Bühne selbst herrschen pittoresk die 70er und 80er.
Passend steckt der Wotan von Tomasz Konieczny in kostümköstlich karierter Feinstoffhose (als DDR-Poser?). Leider pflegt Konieczny einen zähnefletschend blechernen, obendrein hellengen Ton. Deklamiert wird trocken: der Pole als German rasper. Abendlich strahlt der Sonne tönt wenig wagnerwürdig und ganz wie bei Hindemith: Tonschönheit ist Nebensache. Nicht einmal die Tatsache, dass Koniecznys metallig schallstarke Baritonhöhe beeindruckende Stärkegrade erreicht, vermag mit diesem Wotanporträt zu versöhnen.
Als Wotansgattin glänzt Claudia Mahnke. Bestens vernehmlich bleibt auch die Freia der Anett Fritsch – beide spielen hinreißend. Während Anna Kissjudit (Erda) sich zahnlos durch Weiche, Wotan deklamiert.
Den Gewitterzauber als Partyjux präsentiert Roman Trekel als Donner – und singt nicht tonschön, aber viril präsent und präzis. Das kann man von Rolando Villazón gerade nicht sagen. Villazón legt sich als findiger Tausendsassa (fabelhaft senfgelb der Anzug) vokal ins Zeug, sein quäkender Tenor sammelt jedoch je länger desto mehr Nervpotenzial an. Villazóns Loge geht der liebelose Nibelungenfürst Alberich auf den Leim, den Johannes Martin Kränzle mit der wutunterfütterten Raubeinigkeit des Proletariers singt. Ein guter Alberich ist zugleich stets geheime Hauptfigur einer Rheingoldaufführung. Der besorgte Froh (Siyabonga Maqungo) und der vife Mime (Stephan Rügamer) bieten beste Haussängerqualitäten.
Leider sind die Kaninchen im Zwischenstock nur noch Attrappen.
Die Riesen sind als fein kontrastierendes Bilderbuchganovenpaar zu erleben, Fasolt (als Guildo-Horn-Verschnitt?) scheu in Freia verliebt, Fafner bräsig mafiös (im speckigen Kunstledermantel), den Fasolt singt ordentlich, nur etwas verwaschen Matthew Rose, den Fafner der stimmresteverwaltende Peter Rose. Die Rheintöchter tragen Kostüme aus dem Neckermannkatalog von 1980, gesungen wird wohltuend wortgenau (Woglinde Evelin Novak, Wellgunde Natalia Skrycka, Flosshilde Ekaterina Chayka-Rubinstein).
Ach du dickes Osterei: Mit Philippe Jordan hat die Direktion der Staatsoper den Berliner Wagnerfreunden ein enttäuschendes Ei ins Nest gelegt. Wurde der Ring Unter den Linden je instinktloser dirigiert? Lauter? Gestisch liebloser? Mit weniger Wärme im Ton? Weniger Geheimnis im Klang? Wer Thielemann von 22 und Barenboim von 19 oder 12/13 im Ohr hat, kann nur konsterniert weghören. War ein Ring in der Barenboim-Ära sängerisch nie bis in die letzte Nebenrolle so hochkarätig besetzt wie in München oder Wien, so war er, was Dirigat und Orchester betraf, immer einzigartig.
Einhelliger Festtage-Jubel im Großen Saal der Staatsoper Berlin.
Cora sagte:
Ich finde es gut, dass die Kaninchen „nur“ noch Attrappen sind. Warum sollten Tiere für die Kunst leiden müssen? Nur für so herzlose Typen wie Sie?? Ekelhaft!! Stellen Sie sich selbst doch mal im Käfig zur Schau, das beflügelt vielleicht mal Ihre Fantasie und Ihre Empathie für Lebewesen, was Ihnen offenbar fehlt.
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Eduard Paul sagte:
wenn wer den Loge von Villazon lobt (so eine jämmerliche Leistung hörte ich schon Jahre nicht mehr) und dafür Jordan und Orchester negativ beurteilt…….so entbehrt das schon eines weiteren Kommentars
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Hermann Lederer sagte:
Jordan war ziemlich genau 20 Minuten schneller als Thielemann bei der Premiere und damit fast auf die Minute gleich mit Clemens Kraus in Bayreuth. Also so gewagt ist der Vergleich im Bereich Tempo gar nicht. Im übrigen habe ich gar nichts gegen die „Hobbyschreiber“. Nur vielleicht sollte man die Werke besser kennen, bevor man urteilt – denn dann kann man vielleicht auch ein Tempo richtig beurteilen und damit die gesamte Aufführung.
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Ulrich Schlüter sagte:
absoluter Blödsinn
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Hermann Lederer sagte:
„Eu ´r Urteil dünkt mich wäre reifer hörtet Ihr besser zu“ dichtete Wagner. Vielleicht manchmal gar kein schlechter rat für die Hobbyrezensenten dieser Seite. Bloß weil etwas „anders“ ist muß es nicht falsch sein und Beschreibungen wie „gestisch lieblos“ oder „instinktlos“ sagen genau: nichts. Man könnte aber durchaus argumentieren, daß durch Jordans fließende Tempi und die Anbindung an den Text erstmals seit langem in diesem Haus das Rheingold als Konversationsstück ernst genommen wurde. Um nochmals Wagner zu zitieren: Wenn ihr nicht alle so lahme Kerls wärt, wäre das Rheingold in 2 Stunden vorüber. Man blickt ja so gern in die Vergangenheit: Hören Sie mal Clemens Krauss oder in jüngster Vergangenheit Petrenko…. Aber wie gesagt: …hörtet Ihr besser zu…
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Schlatz sagte:
C. Krauss mit Ph. Jordan zu vergleichen ist natürlich auch recht gewagt. Und uns Hobbyschreiber gibt es auch deswegen, weil die Profischreiber der Zeitungsredaktionen eine Wiederaufnahme nicht interessiert.
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CT sagte:
Als ich jung war, erschienen in den Feuilletons der Tageszeitungen noch Besprechungen der wichtigen Wiederaufnahmen oder von Vorstellungen mit berühmten Gastsängern. tempi passati…
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