Zwischen Rusalka-Premiere und Dvořák-9. beim Staatskapellenkonzert lädt die Staatsoper zum Dvořák-Liederabend. Gesungen wird im Apollo gewidmeten Doppelsäulensaal Unter den Linden Berühmtes und weniger Berühmtes aus Dvořáks überaus reichem Liedschaffen. Anders als bei Schubert, Schumann, Brahms, Wolf kennt man die Gedichte nicht. Gesungen wird auf Tschechisch. Das heißt mehr Hören als Verstehen.

Večerní písně (Abendlieder) verteilen sich auf drei Opera, op. 3, op. 9 und op. 31. Es rollen die Melodien, es wiegen die Harmonien, es spannt der Gesang die Flügel. Wie in der Traumschilderung Mně zdálo se žes umřela („Mir träumte, du wärst tot“). Zauberhaft der leichte melodische Fluss von Vy malí, drobní ptáčkové („Ihr kleinen, winzigen Vögel“), einem koketten Allegretto als scherzhafte Liebesklage. Natalia Skryckas Singen kommt aus kantabler Fülle, die volle Mezzostimme wird innig expressiv geführt, die Lieder erhalten je ihr eigenes gestisch-dramatisches „Gesicht“, ihr eigenes Aufblühen und Verlöschen.

Die machtvollen, kargen Biblické písně op. 99 (Biblische Lieder) funktionieren anders. In ihnen spricht alttestamentarisches Gotteslob (Oblak a mrákota jest vůkol – „Wolken und Finsternis hüllen sein Antlitz“), bricht sich überindividuelles Gottvertrauen Bahn (Hospodin jest můj pastýř – „Gott, der Herr, ist Hirte mir“). Slyš o Bože! slyš modlitbu mou („Hör, o Gott, hör mein Gebet“) ist Zeugnis vertrauensvoller Zwiesprache mit dem Allmächtigen. Adam Kutny singt das mit hochpräsentem, kraftvollem Bariton und außerordentlichem Gefühl für ernste Gefühlsgesten und Deklamation auch im Leisen.

Die mal schwermütigen, mal heiteren, immer nuancenleisen Melodien der Písně milostné op. 83 (Liebeslieder) trägt dann Adriane Queiroz (ich habe ihre Elisabetta letzten Herbst leider verpasst) mit erfüllter Herbheit vor, sie singt dunkel leuchtend, besonders eindringlich vielleicht Vtak mnohém oder das einfache Zde vlese upotoka já. Für die volkstonflotten, köstlich rhythmisierten Moravské dvojzpěvy op. 32 (Mährische Duette) tun sich N. Skrycka und A. Queiroz zusammen, die Tendenz zur Miniszene nicht scheuend. Der Tonfall geht auf kesse Einfachheit. Slavíkovský polečko malý ist ein eilendes e-Moll-Stück. Holub na javoře ein Allegro scherzando. Der sänger- und komponistenfreundlich begleitende Klaus Sallmann ist auf Klarheit der Darstellung bedacht.

Vollends bezaubernd dann als Zugabe das Nachtlied Dobru noc, má mila als Terzett.

Bitte mehr Dvořáklieder. Und, Frau Skrycka, Herr Kutny, schrieb Ihr Landsmann Szymanowski nicht ÄUßERST hörenswerte Lieder? Die in Berlin SEHR selten zu hören sind?