Groissböck ist primus sine paribus. Aber neugieriges Interesse weckt das Rosenkavalier-Dirigat von Joana Mallwitz.

Hälse recken sich beim Auftrittsapplaus, um einen Blick auf die debütierende Dirigentin zu erhaschen. Dabei geht das erste Vorspiel gründlich daneben, weil haarsträubend ungenau. Im Folgenden wird mir abwechselnd kalt und heiß. Mallwitz‘ erster Akt zieht nicht. Schönes steht neben Geschnuddeltem. Auffällig die Heftigkeit der Solo-Holzbläser. Das zeichnet Mallwitz aus: Helligkeit des Klangs (Mallwitz als Anti-Barenboim), spontane Frische. Die Vorspiele zu Akt zwei und drei haben tatsächlich Lustspielbravour, aber ganz ohne Strauss-Schwere und symphonische Schwerfälligkeit, dafür mit viel Lachen im Klang. Das kann Mallwitz. Und sonst niemand?

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Aus dem von Lerchenau macht Günther Groissböck keine Karikatur, sondern einen Charakter. Hier ist der Ochs ein Mensch. Das Verblüffende: Der Österreicher Groissböck verzichtet auf das chargierende Andienen an die Rolle. Da sitzt kein geiler Alter aus dem Buffo-Repertoire nicht, sondern die selbstbewusste Männlichkeit vom Land. Außerordentlich ist Groissböcks Leistung in punkto Aussprache, in punkto Sprech-Sing-Souveränität. Was er singt, ist zugleich Text. Glasklar. Hofmannsthals Genie auslotend. Nichts Forciertes. Zur Zeit wohl singulär (wie als Orest – neben Pape).

Heute klingt der Octavian älter als die Marschallin. Die Schwärmerei des ersten Akts, die Mariandl des dritten liegen Marina Prudenskaya nicht. Aber sie kann die Heftigkeit der Empörung im zweiten und den Ernst im Finale, beim herztief glühenden Marie Theres zum Schluss laufen einem Mezzo-Schauer über den Rücken. Ich fand die Sindram an der DO in den letzten zehn Jahren am besten als Oktavian.

Als Marschallin wiegt Julia Kleiter insgesamt etwas leicht, fast unauffällig. Sie spielt schon in der ersten Szene die sensible, kluge Frau, die in der letzten der Welt entsagt.Golda Schultz legt als Sophie einen fantastischen 2. Akt hin, dank Temperament, dank Feuer. Temperament indes hilft im 3. nicht mehr. Da fehlen dann Aussprache, Diktion. So versteht man im Duett kein Wort mehr. Das ist zu wenig, und Schultz enttäuscht gegen Ende: Was für Nuancen des Fühlens holte da Anna Prohaska raus.

Hörenswert die Nebenrollen. Mit all seiner peniblen Trockenheit ist Roman Trekel ein bravouröser Faninal, Anna Samuil eine hervorragend plastische Leitmetzerin, Katharina Kammerloher eine Annina mit stimmlicher Souveränität. Ein Genuss der Tenor von Andrés Moreno García. Auf den Punkt gebracht der Kommissar von Friedrich Hamel. Den Valzacchi gibt Karl-Michael Ebner, den Haushofmeister bei der ehemaligen Resi Florian Hoffmann, den bei Faninals Johan Krogius. Die Morgengabe hat der Notar von Dionysios Avgerinos im Blick, das Geschäft der Wirt von Johan Krogius. Und als Modistin hat Regina Koncz einen kurzen, sängerisch attraktiven Auftritt.

Groissböck gelingt gerade alles. Und Mallwitz hat einen vielversprechenden Einstand.