Die kaum fünfminütige Uraufführung Mali svitac („kleines Glühwürmchen“) von Milica Djordjević denkt über die Gleichzeitigkeit von Unvereinbarem nach, von hektischem Vorwärtstreiben und schimmerndem Schwebeklang. Zuvor leitete Blachers präzise und klare Fanfare den Konzertabend, den ursprünglich Zubin Mehta leiten sollte, ein, komponiert zur Eröffnung der Philharmonie vor 60 Jahren.

Mahlers 5. Sinfonie – die die Staatskapelle unter Payare Anfang September spannender spielte – klingt unter Gustavo Dudamel ereignisprall und höhepunktsatt, dabei gleich weit entfernt von Abbados wienerischer Gefühlsnoblesse wie von Rattles Hau-drauf-Intensität.
Vertraut Dudamel zu sehr gängigen Mahler-Narrativen?
Die Sätze Nr. 2 (Stürmisch bewegt. Mit größter Vehemenz) und 3 (Scherzo) haben Längen. Weil die Folge von Themen, Trauermarschepisoden, Trios und Tänzen allzu geschmeidig fluide vorüberbrandet. So richtet sich die Aufmerksamkeit des Hörers auf die „exterritorialen“ Stellen, die einsam aus dem Nebel des thematischen Geschehens aufragen: im zweiten Satz auf das „elegische Rezitativ“ der Celli und auf den Glanz des D-Dur-Durchbruchs samt folgendem Choral. Und im dritten auf die Solohornstellen zwischen der magischen ff-p-ff-Marke („Schalltrichter in die Höhe“) und der Wiederaufnahme des Walzers im Pizzicato („schüchtern“).
Heuer fehlt der Stachel im Mahler-Fleisch.
Ich fürchte, dass Dudamel mit dem Adagietto, das sich beschwörungs- und kantilenensatt gibt, aber eine neutrale Erfülltheitsergriffenheit um sich hat, keine Chancen bei Alma Mahler gehabt hätte.
Oberaffengeil die Trompete vom Jehl.
Man hätte direkt nach Mahlers Fünfter noch einmal das Glühwürmchen namens Mali svitac von Djordjević, die optimal bekannt ist von Musikfest, Ultraschall und Wittener Tagen, fliegen lassen können. Man kennt in Berlin einiges von Djordjević. Die Karajan-Akademie spielte 2020 das rundum frappierende Rdja von 2015. Aber auch Quicksilver (beim DSO 2022) oder die verschiedenen Transfixed-Fassungen waren schon zu hören. Und die Akkordeonistin Silke Lange brillierte in würde man denken: Sterne. Tolle Musik.
Eine Anmerkung: 50 Euro für die letzte Reihe im schlechtesten Block sind schon eine Hausnummer, Philharmoniker.
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Im alten West-Berlin war noch vieles besser. Oder nur ganz anders.
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