Formidables Programm, klasse Stücke, nicht ganz so viele Zuhörer.

Guggeis dirgiert Unter den Linden die Staatskapelle Berlin.

Staatskapelle Berlin, Thomas Guggeis, Alpensinfonie Strauss, Unter den LInden

Aber exzellente Stücke. Bei Lontano schaffte es Ligeti, dass Inhalt und Form identisch sind (wie bei den Meistersingern). Das Cellokonzert von Lutosławski, geschrieben im kommunistischen Polen 1969-70, ist von vorne bis hinten ein großes Abenteuer. Zuerst die lange Solokadenz, dann die Explosion, das Spannungsmaximum, Auge in Auge mit einem großherzigen Cantabile, zuletzt ruhiges Ausklingen. Man kann hier ein Individuum gegen totalitäre Gewalt kämpfen hören, muss man aber gar nicht.

Indem man stattdessen aufs elektrisierende Konzertieren hört, das Nicolas Altstaedt am Cello (in Socken und superentspannter Feel-Good-Hose) und Thomas Guggeis am Pult der Staatskapelle bieten, was beide überzeugend genau und präzis leidenschaftlich tun. Sehenswert ist, wie Guggeis mit heftig emporgerecktem Finger jeweils die Abschnitte anzeigt, innerhalb derer die Musiker relativ frei spielen können.

Zu Eine Alpensinfonie meint der Reclamführer: „Die Thematik ist einfach, nicht sehr inspiriert, die Form einsätzig“.

Oder ist die Alpensinfonie einfach nur eine Tondichtung mit ziemlich vielen ziemlich guten Tonmalereien? Geplant war die „Sinfonie“, die keine ist, unter dem Namen Antichrist als tönende Theorie tragischen Künstlertums.

Das Werk folgt der Dramaturgie Morgengrauen, Aufstieg, Gipfel, Abstieg, einbrechende Dunkelheit. Von der b-Moll-Nacht des Anfangs zur b-Moll-Nacht des Endes. Dazwischen entspannt sich eine Alpenwanderung in 20 Episoden, deren längste Der Ausklang ist, deren kürzeste Am Wasserfall und deren eindrucksvollste die C-Dur-Marke von Auf dem Gipfel ist.

Kein derart umfangreiches Werk ist so umwerfend einleuchtend gegliedert. Die Sinfonie ist leicht zu hören, aber es ist schwer darüber zu sprechen. Thema Nr. 2 , où-es-tu? Reprise, dove sei? Guggeis nimmt die Alpensinfonie nicht als Heimatfilm, sondern als Musik, phänomenal klar gezeichnet und vital bis ins Grummeln der Pauke. Weswegen nicht zuletzt die Naturschilderungen entzücken. Exzellent dirigiert werden gerade die herzzerreißend vielstimmigen Passagen, Gestrüpp und Gewitter.

Paul Bekker übrigens entdeckte 1915, im Feldlager, beim Duchlesen der Partitur, während im fernen Berlin die Uraufführung stattfand, „überall nur deutliche Merkmale einer… unverkennbar niedersinkenden Abblüte.“