Die Inszenierung von Claus Guth stellt die richtigen Fragen, ist alles andere als langweilig und klopft auf Schichten des Stoffs, die traditionelle Salome-Produktionen gern unter den Regie-Teppich kehren. Auf der anderen Seite übertreibt Guth, das Bühnenbild des Mittelteils (vom Auftritt Herodes‘ bis zum Tanz) ist ein schlechter Scherz aus Holzfurnier, das Robotergezappel hat man oft genug gesehen. Tiptop ist das Licht (Olaf Freese).

Die Vida Miknevičiūtė hat die Stimme für diese Inszenierung. Kühl, präzise, bombensicher, sie spielt auch noch mit entwaffnender Aufrichtigkeit, reich an Ideen, arm an Faxen. Ihr Gesang vor dem Gummikopf ist eine Proklamation eines unerbittlichen Unabhängigkeitswillens. Mit der Feinfühligkeit eines Nudelholzes, was sprachliche Nuancen angeht, beschallt Krawattenhändler Herodes den Saal (Thomas Blondelle, blendend gespielt, aber für diese Rolle immer gerne einen Muttersprachler). Ursula Hesse von den Steinen füllt die Partie der Herodias herb und giftig aus. Als keuscher Jochanaan bietet Jordan Shanahan mühelose Kraft plus Tonschönheit, wenn auch nicht das gewisse deklamatorische Etwas. Mit schönheitstrunkener Verve geht der Narraboth (der überaus formidable Attilio Glaser) zugrunde. Und proper agiert der Page von Nicole Piccolomini.

Vida Miknevičiūtė, Salome, Oper Berlin

Ein Höhepunkt jeder Salome-Aufführung ist das Stimmen-verknäulende Judenquintett, dem der Komponist obendrein fugierte Form gibt, was bei Strauss – wie in Also sprach Zarathustra bei Von der Wissenschaft – meist mit karikierender Absicht geschieht, und in dem heute Ya-Chung Huang, Gideon Poppe, Jörg Schörner, Andrew Dickinson und Andrew Harris für beste vokale Unterhaltung sorgen. Piccobelli auch die beiden Nazarener Byung Gil Kim (ausladend Bass-kantabel) und Kyle Miller, zudem sind die Soldaten (Joel Allison, Tobias Kehrer) hörenswert. Eine Salome könnte man allein schon wegen der vielen prachtvollen Nebenrollen besuchen.

Im Graben leitet Axel Kober stählern laut, ohne Ansprüche, Salome als Fin-de-siècle-Werk von aufregenden Farb-Klang-Komplexen erfahrbar zu machen, ohne weitergehende Appelle an die Fantasie der Zuhörer. Nur in der Schlusssteigerung ist dem empathielosen, wenn auch hier fast expressionistisch klangschroffen Dirigat etwas abzugewinnen.