Das Motto von Regisseur Christof Loy an der Deutschen Oper Berlin lautet Einhegung. Er verpasst Schrekers Der Schatzgräber, diesem üppig schwelgerischen, hitzig sensualistischen, aber auch dramatisch anrührenden Opernprachtstück eine prunkvoll-düstere innenarchitektonische Einfassung.

Wie das aussieht? Eine schräg gestellte Marmorwand, massiv und bühnenhoch. Mittig ein Kamin und ein geheimnisvoll blindes Fenster. Rechts und links je ein monumentales Türportal, Typ 30er-Jahre-Einschüchterungsarchitektur. An den Seiten Fenster in Palastgröße. Ein unschuldsweiß gedeckter Tisch dient neben einer Pantherskulptur als einziges Bühnenmöbel (Bühne: Johannes Leiacker). In diese schwarze Marmorpracht des Bühnenraums, die autoritäre Machteliten von 1910 bis 1945 symbolisiert, stellt Loy eine Hofgesellschaft männlicher Anzug- und Uniformträger (Kostüme: Barbara Drohsin), die aber nur als Nebenfigurenfolie für das hohe niedere Paar Els und Elis bildet.

Ich finde die Produktion sehr gut. Eine gute Inszenierung, eine gute Bühne, gute Sänger. Eine gute Dramaturgie und eine Personenführung, die auch an den Nebenschauplätzen für Abwechslung sorgt.

Elisbet Strid, Daniel Johansson, Michael Laurenz, Der Schatzgräber, Franz Schreker, Premiere

Gerade wo die Musik Gefühlstemperatur und Nervenerregung hoch hält, ist Loys Kühle von Nutzen. So kann man sich auf dieses seltsame Außenseiterpaar Els und Elis konzentrieren, sie Bedienung mit einem pechschwarzen Geheimnis, er Musikgenie ohne Heimat. Schrekers Musiktheater, das schönheitstrunken das Leben feiert und fasziniert das Böse skizziert, ist geeignet für schlanke, hellstimmige, durchsetzungsstarke Tenöre. Daniel Johansson (im kühlen White-Collar-Habit) hat Timbre, Energie und sieht blendend aus. Sein Tenor klingt auch bei ruhigen Passagen. Die Stimme von Elisbet Strid (trägt als erdbeerrote Servicekraft Servierschürzchen) ist intensiv und transportiert Leidenschaft. Beide singen hinreichend textverständlich.

Auffällig übrigens, wie sehr das von Schreker selbstverfasste Libretto bis in die Wortwahl vom Wagner’schen hohen Ton beeinflusst ist. Das deutsche Publikum, das vor genau einem Jahrhundert verrückt nach Schreker war, goutierte das offenbar.

Der Schatzgräber, Franz Schreker, Premiere, Marc Albrecht

Hervorragend Thomas Johannes Mayer im Vogtsmantel. Er trägt Locken wie auf einem alten Niederländerbild. Stephen Bronk gibt einen aufrichtigen Wirt und Vater, Patrick Cook ist als Mörder Albi ein zotteliger Trumm von einem Mann. Doke Pauwels stolziert als stumme Königin anmutig formvollendet. Staatstragend knochentrocken verkörpert Clemens Bieber den Kanzler, während der König agil-autoritär und bassbaritonal von Tuomas Pursio vertreten wird. Sehr gut auch der Narr von Michael Laurenz. Auch die weiteren Sangeskräfte leisten Gutes: Michael Adams als Graf, Joel Allison als Magister, Jordan Shanahan (Junker), Gideon Poppe (Schreiber), Tyler Zimmerman ist der Landknecht. Unter den Schauspielerinnen ist auch die Sopranistin Sonja Isabel Reuter verzeichnet. Hat sie gesungen oder nicht?

Die Musik hat ungeheuren Drive, tönt in fließendem, rundem, warmem Schrekerklang. Der Zuhörer kann in eine strömend erregte Orchestermasse eintauchen. Der Ton reicht von raffiniert melodisch bis deklamatorisch aufrauschend. Dabei immer dramatisch erregt und untergründig kantabel. Ein Genuss. Marc Albrecht am Pult hat die Lorbeeren, die die Kritik anlässlich der Premiere verteilte, verdient. Das Orchester der Deutschen Oper spielt genau, lustvoll, kontrolliert, unverdickt noch in den Tuttistellen. Lob verdient auch der sparsam eingesetzte Chor.

Bitte baldige Wiederaufnahme, gerne in dieser Besetzung und mit Herrn Albrecht am Pult.


Weitere Schatzgräber-Kritik: „Ein Takt, tausend Taktwechsel“ (Kai Luehrs-Kaiser), „Unerbittlich schlägt das Orchester zu“ (Christine Peitz), „Über die Klangmassen hinweg“ (Harald Esel), „Zwischen Glücks- und Ausfall“ (Dieter D. Scholz), „Düstere Psychoanalyse-Oper“ (Peter Jungblut),