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Das große Opernsterben an der Deutschen Oper Berlin. Was wird und wurde nicht alles abgesetzt! Der Troubadour: das Aus im Mai. Lady Macbeth von Mzensk: im Oktober ersoffen in Sibirien. Die Sache Makropulos: das Aus im November. Andrea Chénier: Die letzten drei Vorstellungen (Regie: John Dew) laufen.
Was ist da los? Dabei ist der Chénier (Komponist: der ewig unterlegene Puccini-Konkurrent Umberto Giordano) mit der grellbunten Kostümschau im ersten Akt ein Augenschmaus, ist die einprägsame Abfolge turbulenter Massenszenen und eindringlicher Duette in den folgenden Akten ungemein schlagkräftig. Die Vorstellungen sind gut verkauft. Hier und da ein paar leere Plätze. Die vielleicht dem Umstand zu schulden sind, dass der Altmeister des hohen C, Roberto Alagna, abgesagt hat.
Und damit zu Martin Muehle, diesem deutsch-brasilianischen Chénier, aus dem man nicht recht klug wird, so männlich-markant tönt das Timbre, so vierschrötig trompetet er aber auch das Pathos heraus. Der Dichter als röhrender Hirsch, das hat sich Umberto Giordano sicherlich anders vorgestellt, zumal Muehle auch szenisch wenig feinfühlig agiert, ein besonderer Hingucker ist stets, wie Herr Muehle sich breitbeinig aufpflanzt, wie man’s von Christiano Ronaldo vor dem Freistoß kennt. Während Roman Burdenko, behutsam im Petersburger Mariinki-Theater großgezogen, den Gérard im Dreieck aus Revoluzzertum, übler Machoallüre und beißender Gewissensnot durchaus sensibel ausleuchtet und erkennt, wie schal die Macht ist. Ein junger, klangsatter, typisch russisch schwarztimbrierter Bariton, dem die Welt offensteht, wenn er noch strenger an der vokalen Linie arbeitet.
María José Siri wiederholt die Madeleine von vorigem Jahr und zeigt spannend, wie dieses anrührend kokette Mädchen (Akt 1) zur Frau wird, die für ihre Liebe in den Tod geht. Brillanz, sauber gerundeter Ton, das fehlt etwas, dafür fesselt Siri mit dem intensiven Klang einer Verismo-Sängerin und lässt in ihrer Arie La mamma morta opake leise Töne einfließen. Fast noch klangstärker gibt sich die tragisch-lebenslustige Bersi von Wasilisa Berschanskaja als mezzo-starke figlia autentica della Rivoluzione. Heftig im Registerwechsel, aber doch ein Ereignis ist der kurze Auftritt der blinden Madelon von Elena Zilio (Bühnendebüt angeblich 1963). Ansonsten singen mit Annika Schlicht (Gräfin, boshaft kess), Ievgen Orlov (Roucher, saftigsonor), Philipp Jekal (Fléville, Commosso, lusingato), Ya-Chung Huang (Abate), Samuel Dale Johnson (Matthieu), Burkhard Ulrich (Incroyable, kaltblütig-gleichgültig) die üblichen Verdächtigen.
Giampaolo Bisanti lässt mit Lust und Laune die Funken sprühen, treibt mit großem Herzen für Giordano an, bleibt angenehm weich im Duktus, erlaubt sich mitten in Un dì all’azzuro spazio ein überraschendes Rubato, macht das Orchester der Deutschen Oper Verismo-locker. Es ist ein Theater-verliebtes Dirigat mit Sinn für sinnliche Wirkungen und heißblütige Effekte. Nur mit der Düsterkeit klappt’s noch nicht so, und die köstliche Konversation auf dem poppigen Aristokratensofa (Necker? – Non ne parliamo! – Quel Necker! Noi moriamo della curiosità! – Abbiamo il terzo stato! – Ah! Ah!) hat man auch schon weniger verwaschen gehört.
Foto: Bettina Stöß
Stimme fast mit Ihnen überein, allerdings die Kritik an Mühle kann ich nicht so recht nachvollziehen. Werde am Sonntag noch mal drauf achten.
Wie ich aus sehr kompetenter Quelle gehört habe, soll diese Rausnahme wohl aus technischen Gründen erfolgt sein. Bei der langen Laufzeit und dem Aufbau vielleicht glaubwürdig
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Danke für die Info. Fand Muehles etwas stilloses Singen ähnlich irritierend wie vor einigen Jahren den selten die Tonhöhe treffenden Lance Ryan (Siegfried).
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Wie gesagt, ich werde Sonntag drauf achten, aber wie Sie ja am Beifall für ihn erlebt haben, sah dass das Publikum wohl auch anders…
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Apropo Publikum,
Albrecht hätte wieder mal seine Freude gehabt, denn ausser beim Zwischenbeifall gabs nicht zu bemängeln, jedenfalls habe ich nichts gemerkt
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Ich neige dieser Kritik eher zu
https://www.deropernfreund.de/berlin-do-wa-6.html
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Herr Muehle und ich werden nie Freunde werden, das steht fest. Ja, schön und mit Liebe beschrieben auf Opernfreund. Aber dieser Muehle… Haben Sie ein Glas Champagner vor der Vorstellung getrunken? Der Applaus nach Un dì all azzurro war ja noch eindrucksvoll, aber es ist immer weniger geworden. Un bel dì in Akt 4 war doch eher spärlich oder? Im Übrigen hat hinter mir eine Frau während La mamma morta pausenlos gequatasct, so viel zu Zwischenfälle
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Das war boshaft :-)) Ne kein Champagner, da bade ich nur meine Luxusfüße drin, aber nen Glas Wein. Waren Sie denn beim Schlussbeifall nicht mehr dabei?? Da bekam er den lautesten und längsten. Kann aber nachvollziehen, wenn man jemanden nicht schätzt, dann muss sonst etwas passieren. Gebe ich aber zu, an zwei Stellen, klang es etwas schräg, aber da stehen Menschen auf der Bühne und keine Automaten. Ich werde am Sonntag sehr drauf achten…
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Hallo Herr Schlatz,
es scheint ein Wunder geschehen zu sein. Bisher stand auf dem Programmzettel im Internet immer beim Chenier, für morgen, letzte Vorstellung. Seit heute steht, letzte Vorstellung in dieser Spielzeit. Scheint also im Programm zu bleiben :-)))) und dann hoffentlich auch wieder mit Herrn Mühle
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Alagna: „puisque je vous donne rendez-vous … au public berlinois très bientôt également dans une autre œuvre.“ Er sagt, er singt bald in Berlin in einer anderen Oper als Chenier. Ist bisher nichts angekündigt. Dann wohl erst 2019/20. Vielleicht Wiederaufnahme von Meyerbeer.
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Ich habe nach der Absage von Alagna dankend verzichtet
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Solche Absetzungen sind immer schade, zumal von Opern, bei denen man sich fragen muss, wann die auf die Berliner Bühne zurückkehren werden. Oder unterschätze ich die Anziehungskraft des Chenier?
Auch die Inszenierung von „La Damnation de Faust“ fuhr kürzlich zur Hölle. Das große Aufräumen an der Deutschen Oper stimmt einerseits bedenklich, weil manches wirklich nur sehr kurz lief (Makropulos sechsmal, glaube ich); und andererseits, wenn man an das Inszenierungsniveau einiger Premieren der letzten Jahre denkt. Einiges scheint mir, hinsichtlich der Inszenierung, nicht repertoirefähig, etwa der Wozzeck.
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Natürlich ist es schade, aber wenn der Chenier aus den von mir genannten Gründen abgesetzt wird, die Quelle ist wirklich verläßlich, ist es leider hinzunehmen. Die Sicherheit der Mitwirkenden ist wohl wichtiger.
Aber die DO muss das Haus füllen und alle diese Aufführen waren höchstens zu 40% ausgelastet, also muss man zu solch Maßnahmen greifen…
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Mal ganz ehrlich gesagt : Ein Chenier mit mittelmäßiger oder 1b-Besetzung kann nicht wirklich gut sein. Es gibt ja Opern, bei denen funktionieren ordentliche Hausbesetzungen immer, Figaro oder Boheme zum Beispiel. Aber der Chenier ist nun eine dieser Opern, die eigentlich immer eine absolute Top-Besetzung brauchen, sonst wird es leicht sehr zäh. Wenn man mal Domingo oder Cappuccilli in den Hauptrollen gesehen hat, wird man sich mit anderen schnell langweilen. Ich habe in meinem mittelmäßig langen Opernleben nur eine einzige Chenier-Aufführung gesehen, die von Anfang bis Ende spannend war, und das war, als der schon damals allseits bekannte Kinderliebhaber James Levine an der Met dirigierte. Der konnte eine Spannung halten, daß all die vielen parlando-Phasen nie langweilig wurden. Da ist mir zum ersten Mal aufgefallen, daß es auch eine vecchia Madelon gibt, die eine wirklich ergreifende Arie singt, wenn sie es kann. Die Inszenierung der Deutsche Oper habe ich nun zweimal gesehen, und beide Male war es so „janz anständig“. Da die DOB aber Jonas Kaufmann nicht anziehen kann, der an guten Tagen mit einer adäquaten Partnerin durchaus in der Lage ist, nicht nur seine Arien anständig zu singen, ist es nur eine gute Entscheidung, das Stück ad acta zu legen, bis es vielleicht mal wieder überzeugende Besetzungen gibt, mit denen man das Haus füllen kann. Ich werde diesen Tag wahrscheinlich nicht mehr erleben.
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Eine lächerliche Bemerkung, gepaart mit Ahnungslosigkeit.
Die Inszenierung muss wohl wirklich aus technischen Gründen aus dem Programm genommen werden. Die Schräge ist ja für diese Inszenierung äusserst wichtig und die Konstuktion macht es nach den vielen Jahren nicht mehr.
Ich kann dieses alberne Geschreibe nicht mehr ertragen, wann war denn Domingo ein überzeugender Chenier. ist ewig her und die Verklärung ist immens.
Wenn Sie jetzt einen Kaufmann als ideal bezeichnen, ist es noch alberner. Ich habe ihn im Livestream gesehen und gehört, alles andere als überzeugend. Meinetwegen soll der in München bleiben.
Rummeckern, aber diese Aufführung nicht gesehen,besonders daneben
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Strahlender Mond, der am Himmelszelt trohnt…
sei mein Bote Du.
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Tuto nel mondo e burla…
tutti gabbati
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fallo casto heißt es eigentlich
das ist ungefähr so keusch wie
salut, demeure chaste e pure
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das hat mein Sohn dazu zu sagen
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Ne halbwegs anständige Klytemnesra sah zu meiner Zeit so aus :
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Und, wenn ich janz ährlich bin, der einzich echte große Gerard, das war der Juan Pons.
Nemico della Patria.hahaha
allerdings 12 Jahre später
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Warum gibt es keinen Faust an der Deutschen Oper mehr ?
Weil Krassimira Stoyanova sich vergiften lassen und mit den Beinen zappeln muß.
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Jonas Kaufmann bekommt sein viertes Kind
https://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.freundin-ist-schwanger-jonas-kaufmann-er-wird-zum-vierten-mal-vater.a020dbe9-5924-4ff4-a1bf-779aaf23c3db.html
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Deswegen vielleicht der Babyspeck beim Otello
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Lieber Schlatz,
glaube heute haben Sie etwas versäumt. Für mich und mehrere Freunde ein überwältigender Abend. Glaube gehe Mitwoch noch mal.
Bevor hier jetzt noch ein Typ namens wolfie loslegt, lasen Sie es, Sie sind da peinlichste, was ich in je gelesen habe
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Breaking News, der Chenier wird doch nicht abgesetzt:
https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=2253112188345631&id=1698677570455765&refid=52&__tn__=-R
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Oh nein, doch hoffentlich nicht mit Schreihals Muehle? Vielleicht bezog sich Claudios Hinweis zu Alagna auf den Chénier. Dann gehe ich selbstverständlich noch einmal. Noch besteht Hoffnung. Warum schreibt die DOB eigentlich als einzige Chenier und nicht Chénier? Fassungsfragen? Ist gut, Erfurt schreibt Chènier, aber die kennen Französisch erst seit 89. Also Ihnen, Herr Mohrmann, viel Spaß am heutigen Abend. Ich fand übrigens, dass Siri mehr Schärfen in der Stimme hatte als letztes Jahr, aber die singt natürlich auch kein stimmschonendes Repertoire, Verismo, von Verdi nur die ganz harten Sachen…
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io piango…
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und tausendmal, und tausendmal so wichtig, daß er lebte
so mußte er denn sterben
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Ich muß hier warten – bis sie mich rufen.
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