Das Amaryllis Quartett spielt im Konzerthaus Berlin Haydn, Lutosławski und Brahms.

Es sind samt und sonders Werke höchster Dignität.

Amaryllis QuartettIm Zentrum steht das Streichquartett von Lutosławski, das durch  Konzentration und Kraft der Machart unmittelbare Aufmerksamkeit erzwingt. Trotz kleinteiliger Gliederung in 51 Abschnitte oder Sektionen vermittelt das Werk großen Atem und logische Kraft. Die Abschnitte unterscheiden sich in Dynamik, Artikulation, Motivik und Dichte. Der stockende Beginn ist eindrucksvoll. Die Solovioline setzt mit einsamerratischen Sechzehntelgesten zwischen zweisekündigen Fermaten ein. Das Werk kulminiert in den wilden, Tremolo-artigen Schraffuren voller kinetischer Energie (Appassionato, Presto, bis ffff). Das klingt, wie wenn vier keinesfalls vernünftige Personen sich untereinander unterhalten. Was da subjektiver Ausdruck, was objektive Faktur ist, wer vermag dies trennend dem Material zuordnen? Überraschend wirkt der funèbre-Schluss, eine Trauermusik aus biegsamen Glissandi. Die Interpretation ist vorbildlich. Die Damen und Herren des Amaryllis Quartetts machen klar, dass es auf jeden Ton ankommt. Einblicke in die Partitur vermitteln einen Eindruck von Lutosławskis „begrenzter Aleatorik“.

Johannes Brahms‘ B-Dur-Quartett op. 67 ist an diesem Kammermusikabend in seiner Heiterkeit beinah schon Nachklang, wenn auch ein gewichtiger. Der tänzerische dritte Satz zählt zum Schönsten aus Brahms‘ Feder. Hier kommt die Bratsche (Tomoko Akasaka) zu Wort. Ihr dunkles Singen gibt dem ansonsten klaren Werk die verhaltene Note. Gestische Wärme kommt von Cellist Yves Sandoz.

Zu Beginn hört man von Haydn das Lerchenquartett. Es ist ein haptischer Haydn, zugleich ein musikantischer und ein körnig-kerniger. Primarius Frielinghaus biegt die Kantilene des namengebenden Hauptthemas in sachlichen Ausdruck um. Das Finale entfesselt thematische Energie und bringt sie zu singendem Spiel. Dennoch fehlt hier ein Körnchen Genauigkeit.

Für die durchsichtigen Hexereien des zugegebenen Mozart (1. Satz C-Dur-Quartett) habe ich nach Lutosławski und Brahms kein Ohr mehr. Die Musiker spielen ein undefinierbares Etwas zu robust. Dennoch ein hörenswerter, erstaunlicher Streichquartettabend.