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Kaum hat man sich vom Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker erholt, steht das Wiener Neujahrskonzert vor der Tür. Volle zwei Stunden erliegt man dem Wiener Charme. Als Nicht-Wiener erliegt man bekanntlicherweise besonders intensiv. Das ist so, als schaute man Strauß Vater im Demel (nur weibliche Bedienung! Wie Wiener Philharmoniker, nur andersrum) bei einem Kaffee Melange tief in die Augen.
Am ersten Jänner steigt der Konsum von Walzern, Galopps und Schnell-Polkas weltweit sprunghaft an. Nur Banausen vermögen dem nichts abzugewinnen. Und wie jedes Jahr widmen sich die Wiener Philharmoniker dem Dreivierteltakt mit schlawinerhafter Professionalität. Unter Dirigent Riccardo Muti kommt eine Note italienischer Leichtigkeit hinzu. Die schmissige Schnell-Polka Leichtes Blut treibt die rhythmische Raffinesse auf die Spitze. Der gemütliche Marienwalzer von Strauß Vater überrascht mit wie Schweineschwänze sich kringelnden, punktierten 1/8- und 1/16-Figuren der Geigen. Zwischendurch schiebt sich Suppés elegante Boccaccio-Ouvertüre.

Die Wiener Philharmoniker spielen feingeistig. Die Streicher seufzen Des is g’hupft wie g’hatscht, die Holzbläser nuscheln Glei spüt’s Granada auf da Gummigeign. Bekanntlich verbindet die Wiener Tanzmusik im Allgemeinen und die der Strauß im Besonderen Lebensfreude mit einem Schuss Melancholie.
Es erklingt der Myrthenblüten-Walzer (Strauß Sohn, der Anfang ist ein zartes Nichts), die liebreizende Freikugeln-Polka, die Geschichten aus dem Wienerwald, der Fest-Marsch, die aparte Polka Mazur Stadt und Land, die Quadrille Un ballo in maschera. Nicht-Wiener verlieren da leicht den Überblick.
Riccardo Muti dirigiert fesch und frisch, und das im vorgerückten Alter. Erstmals dirigierte der Italiener das Neujahrskonzert 1993. Heute trägt er Brille. Aber immer noch weht Mutis Künstlermähne. Man lernt wirklich Neues bei so einem Neujahrskonzert. Man wird beispielsweise mit bislang verborgen gebliebenen Österreichiana bekannt gemacht. Eine Stephanie-Gavotte von Alfons Czibulka ist außerhalb Wiens gewiss nicht nur für Berliner eine Neuigkeit.
Bleiben die Zugaben. Der Donauwalzer schillert in lüsternen Tempodehnungen. Der Radetzky-Marsch wäre in einem anderen Leben ein Polenböller geworden.
Dem „Wiener Charme“ würde ich nie verfallen. Die einzigen Wiener die mir gefielen, waren z.B. Qualtinger oder Kreisler. Ansonsten kann ich dieses unaufrichtige Getue dieser Menschen nicht ab
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Zitat by Schlatz (s. oben): …nur Banausen vermögen dem nichts abzugewinnen…“! 🍀🍾 Happy New Year
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Na ja, wer auf solch unaufrichtiger Schleimerei steht, bitte, jedem wie es gefällt….
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Kein Orchester spielt so wie die Wiener! Danke nach Wien!!
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Wenn es nach mir ginge, könnte Maestro Muti in Berlin öfters dirigieren. Aber nein, die Herren Philharmoniker laden Muti allenfalls sporadisch ein. Stattdessen begnügt man sich mit „Nachwuchsstars“. In Wien scheint man zu wissen, was man an Herrn Muti hat. Ob nach den unergiebigen Jahren unter Rattle mit Petrenko der Weg zum Besseren beschritten wurde, lasse ich offen.
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