Schlagwörter

Das Jahresende 2017 naht mit Riesenschritten, schneelos und – in Berlin – fast bibberfrei. Statt Frost und Schnee fliegt jedoch die US-amerikanische Ausnahmesängerin Joyce DiDonato ein, wahrlich keine schlechte Alternative. DiDonato ist also die

Vokalinterpretin beim letzten Silvesterkonzert der Berliner Philharmoniker unter Noch-Leiter Simon Rattle. Wie es gute Tradition beim Silvesterkonzert ist, verbandelt das Programm kontrastreich Repertoire-Highlights (Strauss) mit unbekannteren Piècen (Bernstein), zudem farbreichen Dvořák mit feinsinnigem Strawinsky.

Ohne Schirm und Melone, aber mit viel Charme betritt Joyce DiDonato den Saal der Berliner Philharmonie.

Die hochvermögende Mezzosopranistin singt Lieder von Richard Strauss.

Ihre Stimme ist voll leuchtender Farben. Sie klingt brillant in jeder Lage. Ich höre kostbare Piani. Wie von Zauberhand beleben sich die Linien durch Vibrato und Temperament. Ihr Mezzosopran ist knackig wie ein frischer Apfel. Joyce DiDonato lässt Strauss volle Gerechtigkeit erfahren.

Sie singt Zueignung, Wiegenlied, die ausgelassene Muttertändelei, den tiefsinnig-ruhevollen Morgen und Die heiligen drei Könige aus Morgenland.

Bei allen Orchesterliedern stellt DiDonato ihr erlesen koloriertes Vokalmaterial aus. Die Lieder leuchten in 4.553 Farben. Auch ist Frau DiDonato eine feine Stilistin. Fast könnte man von Mezzo-Allüre sprechen, so glanzvoll und stupend gelungen ist ihr Vortrag. Es gibt Interpreten, die können schwebenderen, sprechenderen Ausdruck zaubern. Aber keine Stimme vergoldet Strauss‘ Liedgut so spektakulär, mit so viel Überfluss an Wohlklang. Und wie die Amerikanerin bei US-Kulturgut klingt, hört man wenig später in Bernsteins klingendem Haussegen Take Care of this House, den DiDonato mit Flair und Charisma vorträgt. Zu Morgen steuert Konzertmeister Noah Bendix-Balgley ein kostbares Solo bei.

Das um die zugstarke Marke DiDonato zusammengebaute Programm bringt neben Antonín Dvořáks launischer Ouvertüre Karneval auch Strawinskys Pas de deux (aus Apollon musagète), dessen noble, zärtliche Magerkeit endlos modern wirkt. Es folgen Leonard Bernsteins schmissige Exzerpte aus On the Town, die sich mit dem Landgang dreier liebeskranker US-Matrosen befassen, sowie Dmitri Schostakowitschs kubistische Ballettsuite Das goldene Zeitalter, das von Sowjet-Fußballern erzählt, die ausgezogen sind, um mit Charme und strammen Waden den Kapitalismus zu erobern.

Als Zugabe lassen die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle einen Slawischen Tanz von Dvořák und einen Ungarischen von Brahms über die Klinge springen.