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Die Staatskapelle spielt in der Philharmonie. Zubin Mehta dirigiert. Barenboim hat Geburtstag. Dass der liebe Gott diese drei Dinge hier und heute Abend zusammenführt, beweist, dass Musik im Himmel doch noch was zählt.
Hauptwerk ist Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 op. 73. Barenboim ist ab heute 75. Technisch wahrhaft stupendes Spiel oder virtuos hochgesteigerte Brillanz erwarten, hieße Unmögliches fordern. Auch Edwin Fischer und Wilhelm Backhaus leisteten sich in vorgerücktem Alter Verspieler. Ich liefere eine Mängelliste. Die improvisatorische Eingangsgeste gelingt kaum restlos scharf. Die Eingangstakte der Solo-Exposition schleppen seltsam. Akzente forciert Barenboim bis hart an die Grenze des Vertretbaren (vor dem zweiten Thema). Linke und Rechte auseinanderzuhalten ist bei vollgriffigen Passagen nicht ohne Weiteres möglich.
Doch der Ton leuchtet. Die Durchführung ist ein Wunder an Artikulation, an geheimnisvollem Helldunkel, ist an Leib und Gliedern Prozess, bis hin zum großen Showdown, den Fortissimo-Akkorden – die punktierte Figur aus dem Thema -, die Daniel Barenboim in monumentaler Überdeutlichkeit hinhaut. Das besitzt nicht Trifonow-Schärfe, aber Barenboim verdeutlicht unvergleichlich, dass Musiker und Zuhörer im Zentrum des gesamten Satzes angelangt sind. Überhaupt das Verdeutlichen: Manches Mal ist das Rubato von herzzerreißender Offensichtlichkeit. Mehta ist hier nur Moderator, nicht Inspirator.
Man kann über einiges diskutieren (wurde das zweite Thema nicht zu wenig herausgestellt?). Doch der zweite Satz ist eine kühne Fahrt in unbekannte Gewässer, das Finale ein ebenso kühner Ritt, der von großem Musik-Atem erfüllt ist. Die Triller im Adagio haben beißende Kraft, die anschließende Solo-Variation des Themas entfaltet Barenboim aus einem Impuls. Auch die Klavierfigurationen, die das Holzbläser-Thema umspielen, leuchten.
Zubin Mehta leitet mit der ihm eigenen Mischung aus Gemächlichkeit und milder Autorität. Der ungute Pomp von op. 73 wird so zumindest gemildert. Schön das gedämpfte Fließen, das Mehta im Adagio gelingt.
Ganz anders Till Eulenspiegel, der der Staatskapelle ausgezeichnet leicht von der Hand geht. Die Farbe schimmert frei, die halsbrecherischen Einsätze der Orchestersolisten machen aus Richard Strauss‘ beschreibenden Realismus bezwingende Ausdrucksmusik.
Johannes Boris Borowskis Stretta gerät etwas lang. Das Programmheft kündigt 20 Minuten an. Es werden 25. Stretta, das man als verkapptes Klavierkonzert bezeichnen kann, ist ein ordentliches Stück, das sich in steigernden und abebbenden Wellen gliedert, nur dass der Klavierpart dem Fluss der Musik zu beflissen folgt. Gerne würde ich Borowskis Stück zu weiterer Begutachtung wieder begegnen.
Wenn ich mich nicht getäuscht habe, sitzen Radu Lupu und Yefim Bronfman im Publikum.
Stretta von Borowski gefiel mir bis auf die jazzigen Passagen sehr gut. Encore vom Boulez Ensemble im Pierre Boulez Saal fand ich auch sehr sehr ordentliche Musik.
Bei den Mozart Klavierkonzerten die Barenboim vor ein paar Jahren so gerne gespielt hat waren die langsamen Sätze immer die tiefsten.
Gehen Sie nicht mehr zu den Berliner Philharmonikern? Man hat lange nichts mehr von Ihnen gehört :-)
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Danke der Nachfrage :-) in Bezug auf BPO. Erst war ich in Urlaub, dann war das Programm nicht ganz mein Ding. Das Brahms-Requiem sagte mir nie besonders viel, so peinlich das theoretischerweise ist. Zu den 2 Konzerten Rattles Anfang Nov. war ich leider nicht in Berlin. Doch ab Januar gibt es noch einige philharmonische Früchtchen zu pflücken. Da bin ich gerne dabei. Dumm nur das Trifonow mit dem rauf- und runtergespielten Schumannkonzert kommt. Das Ding ist sowieso ausverkauft, warum nicht was wagen – eines der Glasunow Klavierkonzerte?.eines der Saint-Saens-Konzerte? Die unbekannten Prokofjewkonzerte? Aber nein Schumann. Ich vermute ja, dass weder Jansons noch Trifonow bei dem Stück wirklich brillieren werden. Auch Bruckner fand ich bei Jansons nicht unbedingt 1a. Ich lass mich überraschen.
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Was für ein schönes und ergreifendes Geburtstagskonzert. Dem setzt das Ständchen des Publikums die Krone auf. und dann di e roten Rosen vom Orchester Daniel Barenboim ist und bleibt Daniel Barenboim. Beethoven kann er wie kein anderer. So stolz dass wir ihn in Berlin haben
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Schön, von der Geburtstagsparty zu lesen, wenn man schon nicht dabei war. Lupu und Bronfman im Publikum, nicht schlecht. Eine sechshändige Zugabe in genialer Schlampigkeit, das wär was.
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Albrecht,
wären Sie etwa wirklich gerne dabei gewesen? Es wird doch wohl kaum einer wagen, bei einem solchen „Ereignis“ etwas negatives zu schreiben. Bei Barenboim doch eh nicht
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Warum ist Barenboim hier so ausdruckslos?
War 2007
Fand ihn in der Philharmonie um Welten besser
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Hab ich auch schon öfters mal gedacht, dass Barenboim live besser klingt als digital. Auch seine Bruckner-Sinfonien sind live schon außerordentlich (unvergessen die Neunte im Konzerthaus vor eg. Jahren).
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Immer noch die beste Aufnahme
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Ja, Fischer ist da sehr gut. Ich bin ja immer und überall Backhaus-Fan, auch was seine ganz alten Sachen angeht. Auch von Rubinstein und Horowitz gibt es kaum eine Note, die nicht Extraklasse ist, auch bei Beethoven (gibt’s von Horowitz nicht nur das 5.?). Gould fand ich beim Konzert Nr. 5 auch hervorragend, und Gulda
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Gould
Rubinstein
Horowitz also wirklich?
Backhaus
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Na bitte. Horowitz außer Konkurrenz. Der Binnensatz galactico. Bei Rubinstein höre ich schon die eine oder andere Altersgebrechlichkeit (FF, Durchführung). Backhaus hat packendere Beethoven-Aufnahmen gemacht als die mit Knappertsbusch denk ich. Auch Gould kann hier – auf höchstem Niveau – nicht ganz mithalten. Finde die sonst sehr verehrten Tschechen hier auch nicht makellos. Nett, wie Gould in Ancerls Rücken mitdirigiert.
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Nein, Gould ist auch klasse. Habe gerade noch reingehört. Ich bin nun einmal auf Horowitz gepolt, auch wenn meine heiße Horowitz-Phase schon gut 10 Jahre her ist :-)
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Gulda geht immer
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Dürfte Besseres von Gulda geben.
Gieseking mit HvK und PO
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