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Pollini mit dem Schumannkonzert.

Dass Maurizio Pollinis technische Zuverlässigkeit nicht mehr jederzeit gegeben ist, ist nicht neu. Arge Vergreifer pflastern Pollinis Konzerte. Tonkanten-Spliss, krächzende Akkorde sind keine Seltenheit. Besonders die Linke sündigt gerne und oft. Auch Pollinis Gestaltungskraft an Phrasenenden lässt nach. Pollini hatte schon immer wenig für Abphrasierungsdelikatessen übrig. Und ob die erratischen, ja, ungeduldig wirkenden Akzente bei der Solo-Reprise des Themas so gewollt sind, da hege ich Zweifel.

Was bietet Pollini aber dennoch? Unvergleichliches Klavierspiel. Sicher, der Anschlag ist schwer geworden, hat seine fabulöse Durchleuchtung eingebüßt. Pollini enthält sich wie eh und je jeder Selbstdarstellung, aller unguten Routine. Alles ist spezifische Sprache. Wie ungeheuer angemessen ist Pollinis Sprödheit dem a-Moll-Konzert.

Die Kadenz ist g r o ß a r t i g , obwohl das Fortreißende, das Pollini im ersten Teil beabsichtigt, sich nicht realisiert. Großartig in ihrer Disposition, großartig in ihrem Interesse für jede einzelne Note und großartig in ihrem rhapsodischen Nonlegato-Klang. Herrlich die Wiederkehr des Themas in der Linken unter den gewaltig strömenden Trillern der Rechten.

Das Intermezzo wirkt drängend. Pollini wählt einen großen, doch abschattierten (aber eben nicht sentimental abschattierten!) Ton. Das Finale leidet anfänglich an Pollinis schwerfälligen Fingern. Beim ersten Thema droht Fingersalat. Doch Pollini füllt den Satz, der bei den meisten Pianisten eine Nuance zu unerheblich klingt, mit sprödem Vorwärtsdrängen. Er stellt ein Gleichmaß aus Struktur und Temperament her. Dass Pollini das Manuelle nicht mehr jederzeit zur Verfügung steht, sorgt sogar für ein neues Moment in seinem Spiel. Manchmal muss der Italiener kämpfen, muss sich gar gegen das Tempo des Orchesters behaupten. Die Unbekümmertheit, die bisweilen seinem Mozart zur Gefahr werden konnte, scheint Inständigkeit, einer rauen Weisheit gewichen. Die synkopischen Viertel zwischen Viertelpausen der Linken in der Coda sind ein Traum. Das zweite Finalthema spielt das Orchester doch recht spannungslos.

Der Rest ist Beiwerk. Debussys Images, die an Reichtum und symphonischer Geschlossenheit vermutlich hinter La Mer zurückstehen, fehlt die klangliche Gestalt. Bei
Zweites Labyrinth von Jörg Widmann vermisse ich wie bei vergleichbaren Werken des Komponisten das Wozu? Wo führt das Werk hin? Woher kommt es?